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So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melda Akbas
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mich in diesem Moment fühlte: Mir ging die Muffe. Ich hätte nichts dagegen gehabt, wäre jemand gekommen und hätte gesagt: »Mädels, lasst mal, ihr seht müde aus, ich mache das für euch.« Hacer muss es ähnlich gegangen sein. Sie erzählte hinterher, dass sie sich auch am liebsten in Luft aufgelöst hätte.
    Ich hatte im Urlaub eine Powerpoint-Präsentation vorbereitet, nur ganz simpel, die wichtigsten Fakten: Ziele, Zielgruppe, Vorgehen. Das Ganze hatte mich keine fünfzehn Minuten gekostet. Unter einer gründlichen Vorbereitung könnte man auch etwas anderes verstehen. Wahrscheinlich war ich deshalb so nervös.
    Doch kaum hatte Hacer zu sprechen begonnen - sie war für die Einleitung zuständig -, löste sich die Verkrampfung. Ich musste mir nur die Gesichter der Leute im Saal ansehen. Kein Zweifel, uns schlug Sympathie entgegen. Hier konnte uns nichts passieren. Die Menschen, die vor uns saßen, erwarteten keinen perfekten Vortrag. Wir waren jung und durften uns Fehler erlauben. Wir waren überhaupt die Jüngsten im Saal, wahrscheinlich nicht mal halb so alt wie die meisten. Manche schienen uns allein deshalb zu bestaunen, weil sie uns für die letzten Vertreter einer aussterbenden
Spezies hielten: Jugendliche mit Motivation. So nach dem Motto: Wow, die gibt es auch noch?
    In der Pause schwappte ihre Zuneigung wie eine warme Welle über uns. Menschen, denen wir zuvor nie begegnet waren, kamen einfach an unseren Tisch, gratulierten und lobten uns in höchsten Tönen, einige erzählten von eigenen Projekten und wollten unbedingt mit uns zusammenarbeiten. Das machte uns ganz verlegen. Was hatten wir schon geleistet? Noch waren das nur Ideen und ein paar Pläne, wie man sie verwirklichen könnte.
    Solange uns die Leute umringten, war ich viel zu beschäftigt, um an andere Dinge zu denken. Doch hinterher, nach dem ganzen Trubel, wünschte ich mir, meine Eltern hätten das miterlebt. Vielleicht hätte Baba dann endlich aufgehört, an dem zu zweifeln, was ich machte.
    »Let’s organize somethin’« hatte seine Bewährungsprobe bestanden - in der Theorie. Bisher hatte es vor allem Spaß gemacht, es war aufregend gewesen, wir hatten unheimlich viel erlebt und eine Menge Leute getroffen. Jetzt musste das Projekt nur noch umgesetzt werden. Ich hatte eine klare Vision im Kopf. Die Schüler, die an unseren Workshops teilnehmen sollten, waren in meiner Vorstellung von dem Thema mindestens so begeistert wie ich. Mag sein, dass sie nicht direkt darauf brannten, sich für irgendetwas neben der Schule zu engagieren. Das lag dann aber nur daran, dass noch niemand auf geschickte Art und Weise ihr Interesse wachgekitzelt hatte. Genau das würden wir tun. Wie gesagt, so sah das in meiner Phantasie aus. Woran man erkennt, dass ich mit einer ordentlichen Portion Enthusiasmus - und vielleicht auch Naivität - an die Sache heranging.

    Hacer hatte sich inzwischen ganz zum Studium verabschiedet. Ich war mehr oder weniger auf mich allein gestellt. Erst dachte ich, dass schaffe ich niemals. Dann sagte ich mir: Doch, Melda, das kriegst du hin!
    Ich suchte rund fünfzig Schulen aller Schulformen aus ganz Berlin heraus, von den meisten wusste ich, dass sie unter ihren Schülern einen hohen Migrantenanteil haben. An jede schickte ich einen Brief, packte Informationsbroschüren, Flyer und Plakate dazu, die an die Schulsprecher oder, noch besser, an alle Klassenlehrer weitergereicht werden sollten. Auf diese Weise würde ich genügend Interessenten zusammenbekommen. Dachte ich in der ersten Woche danach. In der zweiten dachte ich das auch noch. Am Ende war das Resultat niederschmetternd: Eine einzige Schule antwortete. Die dortige Schulleiterin bat mich zu einer Audienz. Danach meldete auch sie sich nicht mehr.
    Wir versuchten so ziemlich alles, was uns einfiel. Nachdem Hacer nicht mehr dabei war, half mir Samira, eine gute Freundin, die ich seit der Grundschule kenne. Ihre Eltern kommen aus Palästina, sind über Syrien nach Deutschland geflohen. Wir verteilten Flyer, hingen in Bibliotheken unsere Plakate auf, sprachen beim Landeslehrerausschuss vor. Als das auch nicht viel brachte, stellten wir uns sogar auf die Straße und sprachen einfach Schüler an. Manche ließen uns gleich stehen, andere hörten zu, zeigten sich auch interessiert. Einige schrieben uns ihre Mailadressen oder ihre Telefonnummern auf, damit wir sie zu unseren Workshops einladen konnten. Allerdings stellten sich mehr als die Hälfte davon entweder als unleserlich oder

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