Soldner
gefiel Dar nicht. »Murdant Teeg sagt, du kennst den Grund für diesen Krieg. Und er hat gesagt, er wird langwierig.«
Kol lächelte. Dar wusste nicht genau, ob es an Teegs Bemerkung oder an der Durchsichtigkeit ihres Themenwechsels lag. »Die Geschichte ist zu lang«, sagte er. »Der alte König Kregant war so friedliebend, dass er nach dem Tod des Vaters seiner Gemahlin keinen Anspruch auf dessen Besitz erhob. Er überließ die Ländereien König Feistav, der ebenso wenig ein Recht auf sie hatte. Doch die Lage änderte sich, als unser gegenwärtiger König den Thron bestieg. Er hat seinen Anspruch geltend gemacht.«
»Und er hat einen Krieg angefangen?«
»Starke Männer greifen zu starken Maßnahmen.«
An diese Bemerkung dachte Dar noch, als sie sich in der Hütte voller Kräuter umschaute. »Dies ist das Zuhause einer Weisen. Wer würde einer Heilerin schon etwas tun? Es wundert mich, dass sie geflohen ist.«
Kol zuckte die Achseln. »Ihr Pech ist nicht das unsere. Hast du Hunger?«
Dar grinste. Schon spürte sie die Auswirkungen von Kols Branntwein. »Was für eine alberne Frage.«
»Dann wäre es albern, nichts zu essen. Hau rein. Du sitzt hier nicht an der Tafel des Vertreters der Königin. Ich bin nur ein kleiner Murdant.«
»Ein kleiner Hauptmurdant«, sagte Dar. »Wie man hört, hat sogar Tolum Karg Angst vor dir.«
Murdant Kol schaute erfreut drein. »Warum sollte er wohl Angst vor mir haben?«
»Ich weiß nicht«, sagte Dar. »Man erzählt es jedenfalls.«
Kol streichelte ihren Arm. »Ich hoffe, du hast keine Angst vor mir.«
Dar spürte, wie ihre Härchen sich aufstellten. »Nein«, murmelte sie.
Kol brach ein Stück Käse ab und reichte es ihr. Sie biss hinein und genoss den Geschmack. Zum letzten Mal hatte sie bei der Hochzeit ihres Vetters Käse gegessen. Die Würstchen, sogar das Brot, waren Neuheiten. Ihr Hunger richtete ihre Gedanken auf das Essen, und der mit Honig versetzte Alkohol entspannte sie. Je voller ihr Magen und je leichter ihr Kopf wurde, umso mehr ließ ihre Wachsamkeit nach. Dar ließ sich auf den Strohsack fallen. Sie lag still da und fühlte sich wunderbar gesättigt, als Kol einen ihrer Füße in die Hand nahm. Dar kicherte. »Was machst du da?«
»Ich schau nach, welche Stiefelgröße du hast.«
»Stiefel?«
»Ihr Hochlandmädchen seid zwar zäh, aber ich bezweifle, dass ihr auch im Schnee barfuß lauft.«
Dar setzte sich hin. »Zu Hause hatte ich Stiefel. Auch Schuhe.«
Kol entnahm seinem Beutel ein Gewand und hob es hoch. »Hattest du auch ein so schönes Kleid?«
Dar schaute das elegante blaugraue Kleid verwundert an. Bevor sie den Stoff anfasste, wischte sie sich die Hände an ihrem zerfetzten Hemd ab. Das Kleid war weich und fein gewebt. »Ich hatte nur ein selbst gemachtes.«
»Es gehört dir.«
Dar schaute Murdant Kol an. Der Alkohol hatte seine Selbstbeherrschung gelockert. Sein Blick verriet eine Mischung aus Lüsternheit und Triumph. »Probier es doch mal an«, sagte er.
Ein gewisser Kommandoton in seiner Stimme ließ Dars Befürchtungen neu erwachen. »Dann müsste ich mich doch ausziehen.«
»Na und? Ich weiß, wie Frauen aussehen.«
»Aber du weißt nicht, wie ich aussehe.«
»Dann wird es langsam Zeit.«
Sein süffisanter Ton entflammte ihren Ärger erneut. Sie stand langsam auf und versuchte gelassen zu erscheinen. »Ich möchte dein Kleid nicht haben.«
Kol stand ebenfalls auf. »Wie du willst. Es ändert aber nichts. Du gehörst noch immer mir.« Seine Hand schoss vor und packte ihr Kleid am Hals. Eine rasche, nach unten führende Bewegung ließ die Naht platzen und zerriss den Stoff. Eine Sekunde lang schwankte Dar zwischen Entsetzen und Wut. Dann gewann ihre Wut.
Statt ihre Brüste zu bedecken griff sie nach dem Dolch. Kol hatte offenbar einen solchen Schritt erwartet, denn als sie ihre Waffe aus der Scheide zog, umklammerte er schon ihr Handgelenk. Nach einem kurzen Kampf verdrehte er ihren Arm, nahm ihr den Dolch ab und warf ihn ins Feuer. Er hielt Dars Gelenk fest, und sie schauten sich finster an. Kol begegnete ihrem Zorn mit kühler Bedrohlichkeit. »Das bereust du noch«, sagte er.
Er packte die zerrissenen Ränder ihres Kleides, um es ganz zu zerreißen. Als er an dem Stoff zog, trat Dar ihm mit dem Knie in den Schritt. Kol keuchte auf und ließ sie los. Er stand einen Augenblick still, sodass Dar einen zweiten – diesmal noch festeren – Tritt an der gleichen Stelle anbringen konnte. Diesmal klappte der Murdant zusammen.
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