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Sommermond

Titel: Sommermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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fassungslos den Kopf. Er hasste Jos Art und Weise, wie er über Alex sprach. „Jetzt stellst du ihn schon wieder wie den letzten Idioten dar, statt dich wie ein Vater aufzuführen, der uneingeschränkt zu seinem Sohn steht!“
    Jo blickte ihn an. Er wirkte emotionslos.
    Ben schüttelte fassungslos den Kopf. „Mir ist der Appetit vergangen!“, zischte er, schob sich samt Stuhl vom Tisch und stand auf. Offenbar wagte es keiner, ihn zurückzuhalten. Das nutzte er aus, wandte sich zum Gehen um und schritt zur Tür. Er konnte die unterschiedlichen Blicke auf sich spüren. Und, als hätte er Augen im Rücken, sah er, dass seine Mutter besorgt war, Nick sich über Alex ärgerte, sein Vater streng die Lippen zusammenkniff und Jo seine wahren Gefühle mit Arroganz zu überspielen versuchte.
    Ben fühlte sich wie in einem schlechten Film. Er riss die Tür auf und trat in den Flur. In schnellen Schritten eilte er zur Garderobe und zerrte seine Jacke vom Haken. Er brauchte jetzt erst einmal frische Luft. Seine tägliche Joggingrunde fehlte ihm. Sie war es immer gewesen, die ihn zu klareren Gedanken verholfen hatte. Doch bis er wieder regelmäßig laufen konnte, würde es noch eine Weile dauern. Also musste er sich mit nichts als frischer Luft zufrieden geben und dabei hoffen, dass auch die anderen wieder zur Vernunft kamen.
    Er stopfte seine Füße in die Schuhe, griff nach einem Haustürschlüssel, der einladend auf der Kommode lag, und verließ die Villa. Als er vor der Tür stand, blickte er sich um. Vor Jos Garage standen derweil drei Autos. Neben Alex‘ schwarzen BMW parkte Bens Wagen, direkt dahinter ein dunkelblauer Skoda. Das musste der Leihwagen sein. Das Auto seiner Eltern war nirgends zu sehen. Offenbar hatte sein Vater es direkt bei der Polizei gelassen.
    Ben trat ein paar Schritte vorwärts und steckte seine Hände in die Taschen. Beim Anblick von Alex‘ Wagen überkam ihn ein Schwall von Erinnerung. Er musste unbewusst lächeln, als er daran zurückdachte, wie sie gemeinsam zur Eislaufbahn gefahren waren. Er auf dem Beifahrersitz neben Alex. Zu jenem Zeitpunkt war das ein pures Glücksgefühl gewesen. Denn wenige Stunden zuvor hätte er sich eine derartige Situation nicht vorstellen können.
    Kaum hörbar seufzte er auf, bevor er sich von den Autos abwandte. Er überquerte ein Stück matschige Wiese neben der Einfahrt und trat um das Haus herum Richtung Garten. Als er dem schmalen Pfad bis zur Rückfront der Villa folgte, musste er unentwegt Zweige zur Seite drücken, die von wild wachsenden, winterkahlen Sträuchern über dem Weg hingen. Als er dann im Garten ankam, bewegte er sich zielstrebig auf zwei Stühle zu, die so positioniert neben dem Tisch standen, als hätten noch eben zwei quatschende Damen dort gesessen und ihren Tee geschlürft. Ben zog einen der Stühle an sich heran und wischte ihn grob mit seinem Jackenärmel trocken. Dann setzte er sich. Sofort sog sich die übrige Nässe in seine Hose und fühlte sich kalt an.
    Ben ließ seinen Blick durch den Garten schweifen. Im hinteren Teil reihten sich hohe Tannen, die in ihrer dichten Beschaffenheit eine Art natürlichen Sichtschutz zur Nachbarschaft darstellten. Vor ihnen lag eine kahle Stelle im Gras, die sich mit ihrer Unebenheit vom Rest des Gartens abhob. Dort lag Sam begraben. Ben erinnerte sich zu gut daran zurück, wie fertig Alex nach dessen Tod gewesen war. Jo hatte auf den Tod des Schäferhunds ebenso unberührt reagiert wie auf alles andere, das seinen Sohn betraf.
    Bens Hintern wurde kalt. Als er deshalb auf dem Stuhl hin und her rutschte, schrak er plötzlich hoch. Er richtete sich etwas auf und zog das Foto von Alex aus seiner hinteren Jeanstasche. Es war leicht zerknittert und das Papier kalt, aber trocken. Ben setzte sich wieder und strich es glatt. Dann sah er sich die Aufnahme noch einmal genau an. Ein undefinierbares Kribbeln zog dabei durch sein Inneres. Alex‘ Lächeln brachte ihn ebenfalls zum Lächeln. Er konnte dem Blonden nicht böse sein. Dafür liebte er ihn zu sehr. Vermutlich war er der einzige Mensch, der Alex derart gut kannte und dadurch jede seiner Macken und jeden schwer nachvollziehbaren Verhaltenszug so gut verstehen konnte. Alex war nicht wie andere Menschen. Er war nicht egoistisch und nur auf sein eigenes Ziel aus. Vielleicht wirkte das oft nach außen so, aber Ben kannte die wahren Gründe dafür. Fast immer handelte Alex ganz bestimmt, um andere zu schützen. So hatte er sein Leben für Ben riskiert. Dass

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