Sommernachtszauber (German Edition)
und ließ sie nicht mehr los. Sie dachte wie sie, handelte wie sie.
»Na, siehste«, sagte Michi. »Hab ich’s doch gewusst. Du weißt selber nicht mehr, wer du bist.«
»So muss das sein.«
»Muss es? Klappt denn alles?«
Klappt denn alles: wohl kaum. Sie hatte Carlos’ Stimme noch im Ohr.
»Da fehlt noch was, Mädchen. Da fehlt noch was. Wenn ich dir nur sagen könnte, was es ist.«
»Mehr. Mehr. MEHR! Gib mir mehr, verdammt noch mal. Lass uns die Julia fühlen. Du musst sie SEIN …!«
»Ich weiß nicht. Ich will heute Abend endlich mal ins Theater gehen und für mich allein proben.«
»Heute Abend erst? Dabei hast du den Schlüssel doch schon länger?«
»Ich war einfach zu müde, Michi.«
»Irgendwie seid ihr alle immer zu müde zu allem. Wenn ich mal groß bin, werde ich nie müde sein. Kommst du mit raus, Rollerblades fahren?«
»Ich will mich noch eine halbe Stunde hinlegen, ehe ich ins
Bimah
gehe.«
»Na, dann gute Nacht …« Er stand auf und ließ, entgegen jeder Abmachung, seinen Teller einfach stehen, statt ihn in die Spülmaschine zu räumen.
»Hey! Ich bin nicht deine Sklavin!«, rief sie ihm noch nach, doch zur Antwort schlug er die Tür zu.
Caroline ging in ihr Zimmer und fiel aufs Bett. Sie sah zur Wand, von der sie erst kürzlich die Poster abgenommen hatte. Ihre Umrisse waren noch als Staubrahmen zu sehen: Kirsten Stewart, Heike Makatsch, aber auch Marilyn Monroe und Grace Kelly hatten die Jahre hindurch ihre Träume bewacht. Caroline hatte oft auf dem Rücken gelegen und sich in ihre Gesichter vertieft. So wollte sie auch sein.
Draußen senkte sich eine warme Augustsonne über Berlin. Fünf Tage Bimah , fünf Tage Julia. Sie rollte sich auf der Bettdecke zusammen. Ihr Innerstes stülpte sich seit fünf Tagen routinemäßig nach außen, und das stundenlang. Aufgeben? Nein. Caroline biss die Zähne zusammen und schluckte die Tränen hinunter.
Sie war im März geboren, Sternzeichen Widder. Hörner senken und die Herausforderung annehmen! Und zwar schnell.
Es blieben nur noch vier Wochen bis zur Gala, zu der viele wichtige Leute aus Politik und dem Showgeschäft kommen würden. Vor illustrem Premieren-Publikum konnte sie sich kaum blamieren, das stand fest. Außerdem sollte nach der Premiere bitte eine auf Wochen und Monate ausverkaufte Spielzeit folgen. Dann schlummerte sie ein.
1 neue Nachricht Mia
, piepte ihr Handy und sie schreckte auf ihrer Tagesdecke hoch. Wie lange hatte sie geschlafen? Sie hatte sich nur zehn Minuten hinlegen wollen. Nun war es beinahe neun. Der Himmel draußen vor ihrem kleinen Fenster war samten in seiner graublauen Dämmerung. Draußen steppte sicher bereits der Bär.
Sie las Mias Nachricht:
Wollte vor den Probeaufnahmen noch ins »Visite Ma Tente«. Kommst du?
Das
Visite Ma Tente
war eine kleine Eckbar in Berlin Mitte, die von drei jungen Franzosen betrieben wurde. Mit dem Rauchverbot nahm es dort niemand so genau und der Laden war immer voller bunter, schräger, schöner Vögel. Im Gespräch mit ihnen vergaß man die Zeit und gerade das konnte sich Caroline nicht leisten. Heute mit dem Üben anzufangen war besser als morgen und schon viel schlechter als gestern. Also los!
Sorry, habe zu tun
, schrieb sie zurück und tippte auf Senden.
Mia schickte postwendend ein enttäuschtes Emoticon.
Morgen auf einen Kaffee?
, antwortete Caroline diplomatisch.
Nach dem Wochenende fange ich auch richtig im Bimah an! Klamotten shoppen … xxM,
kam die Antwort.
Nun sandte Caroline ihr ein Zwinkermännchen.
Cool, dass du das machst. Vom Tellerwäscher zum Millionär.
Und von der Requisite zum Superstar. Wohl kaum,
kam Mias sarkastische Antwort.
Caroline ging aus ihrem Zimmer über den Flur ins Bad. Die Glieder waren ihr so schwer, als hingen Gewichte an ihren Fingern und Zehen. Sie band sich die Haare im Nacken zusammen, zog ihr Hängekleid aus dunkelblauem Leinen zurecht und nahm ihren Korb, den sie im Sommer oft als Tasche benutzte, von dem Hocker neben der Dusche. Ein kleines Strandgefühl, mitten in der Stadt. Dann blickte sie noch einmal in den Spiegel.
Sie sah immer noch aus wie ausgespuckt. Das konnte ja heiter werden. Aber nie die Hoffnung aufgeben.
Aus einer Laune heraus griff sie die Zahnpasta vom Brett über dem Waschbecken, drückte sie an ihre Brust und hauchte: »Danke! Danke allen, denen ich meinen Erfolg zu verdanken habe. Dieser Preis ist die Krönung einer jeden Karriere … Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich irgendwann hier
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