Sommerträume in Marbella
Finanzberater ihres verstorbenen Mannes gebeugt. Stillschweigend hatte sie akzeptiert, dass die Treuhänder der Stiftung mitbestimmten, wie Silas auf seine spätere Funktion vorbereitet wurde.
Für die Zukunft der Stiftung und ihre Milliarden Dollar verantwortlich zu sein, war eine Bürde, die man nicht einfach mal eben so übernehmen konnte. Silas’ Vater war mit vierundzwanzig Jahren gestorben, und die Treuhänder waren damals schon zwischen Ende fünfzig und Anfang sechzig gewesen. Konsequent hatten sie die Ansicht vertreten, dass jugendliches Ungestüm missbilligt und streng kontrolliert werden müsste. Unter ihrer Anleitung hatte Silas nicht nur gelernt, wie er die Stiftung schützen konnte, sondern war auch von klein auf einer altmodischen und wertkonservativen Lebenseinstellung ausgesetzt gewesen. Kurzum, er war dazu erzogen worden, der Stiftung bei allen Lebensfragen den Vorrang zu geben und beherrscht, sachlich und emotionslos zu sein. Inzwischen waren die Treuhänder alle tot, aber Silas wusste, dass sein Entschluss, Julia zu seiner Frau zu machen, ihre uneingeschränkte Zustimmung gefunden hätte. Was er von den alten Männern gelernt hatte, bedeutete für ihn einen Gewinn fürs Leben, und er wollte diese Werte an seine Kinder weitergeben.
Währenddessen fragte sich Julia, woran Silas gerade dachte und ob es ihn auch erstaunte und verwirrte, was mit ihnen passierte. Aber man wusste nie, was er dachte.
Um sich abzulenken, nahm sie ihre Handtasche und suchte nach dem Handy. Vor ihrer Abreise von Mallorca hatte sie keine Zeit mehr gehabt, es zu laden, deshalb hatte sie es ausgeschaltet, um den Akku zu schonen. Als sie jetzt sah, wie viele Nachrichten sie checken musste, zog sie eine Grimasse.
„Du solltest es durch ein Neueres ersetzen“, sagte Silas.
„Im Moment macht die Agentur für so etwas nicht genug Geld.“
Silas runzelte die Stirn. „Aber ich habe Nick mit einem brandneuen Gerät gesehen.“
„Ja natürlich, Nick hat eins. Er reist ja auch viel mehr als wir anderen.“ Noch eine Grimasse, diesmal aber keine sehr freundliche. Besorgt stellte Julia fest, dass sehr viele der Nachrichten von ihrer Kundin waren. Als sie die Nachrichten abspielte, verwandelte sich ihre Besorgnis in ungläubiges Entsetzen. „Ich muss rüber zum Hotel. Die Kundin hat darum gebeten, sich das Restaurant ansehen zu dürfen, und daraufhin hat ihr der Manager mitgeteilt, die Reservierung für die Dinnerparty sei storniert worden. Natürlich hat sie sofort Lucy angerufen, sie und Mrs. Silverwood haben mehrfach versucht, mich zu erreichen. Da ist anscheinend etwas gründlich danebengegangen. Ich hätte die Reservierung doch niemals rückgängig gemacht, nachdem wir solche Schwierigkeiten hatten, den Hotelmanager zu überreden, uns das ganze Restaurant und die Terrasse zur alleinigen Nutzung zu überlassen.“
„Kannst du nicht anrufen?“, fragte Silas.
Julia schüttelte den Kopf. „Ich möchte das lieber persönlich klären.“
„Ich komme mit.“
„Nein danke“, lehnte Julia energisch ab. „Das ist mein Problem, nicht deins. Hoffentlich dauert es nicht zu lange, die Sache in Ordnung zu bringen.“ Ganz gleich, wie müde sie war und wie schmuddelig sie sich in den Sachen, die sie auf der Reise angehabt hatte, fühlte, der Job ging vor.
Eine halbe Stunde später stand Julia an der Rezeption des Hotels, erklärte, wer sie war, und bat darum, den Hotelmanager sprechen zu können. Vielleicht konnte sie das Problem lösen, bevor sie sich bei den Kunden meldete.
Als ihr die sehr gepflegte und elegante Empfangsdame einen skeptischen Blick zuwarf, fragte sie sich, ob sie sich nicht doch besser die Zeit zum Duschen und Umziehen hätte nehmen sollen, anstatt in Panik zu geraten und an die Rezeption zu laufen. Jetzt war es natürlich zu spät, um sich darüber Gedanken zu machen.
Nachdem man sie fünfzehn Minuten in der Hotelhalle hatte warten lassen, kam der Hotelmanager aus einem Büro und winkte sie heran.
Doch Julia wollte die Sache keinesfalls besprechen, während sie wie eine Bittstellerin auf der falschen Seite des Empfangstresens stand. Deshalb rang sie sich ein – hoffentlich – gewinnendes Lächeln ab und fragte leise, ob sie sich nicht unter vier Augen unterhalten könnten.
Mehrere Sekunden dachte sie, er würde sich weigern, aber dann sagte er kurz angebunden: „Meinetwegen. Hier entlang.“
Stumm führte er sie in sein Büro und forderte sie mit einer weiteren Handbewegung auf, sich zu setzen.
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