Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

Titel: Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
Vom Netzwerk:
dich ein, sonst wirst du lesbisch und blind und hast ein Loch in der Wade, aber ich sagte nichts.
    »Wir könnten zu mir gehen«, sagte No . 1 so unverbindlich wie möglich.
    Von wegen unverbindlich.
    »Ich wohne nicht weit von hier. Nur für ein Stündchen, oder so.«
    »Na gut«, sagte sie. »Aber nur für ein Stündchen.«
    In einem Stündchen kann verdammt viel passieren, wollte ich sagen. Eine Minute allein mit No . 1 könnte schon zu viel sein, aber das würde sie wahrscheinlich von selbst herausfinden.

zwölf
    Es war kurz nach sieben und ich ging zu meinem Auto, um Kellys T-Shirt dort zu deponieren. Vor zehn Uhr wollte ich nicht auf die Party gehe n – nicht ehe ich betrunken genug war. Bevor ich das T-Shirt irgendwo vergessen würde, brachte ich es lieber in Sicherheit. Leider gab es diesbezüglich ein kleines Problem. Mein Auto war nicht mehr da. Weg, verschwunden, in Luft aufgelöst, sowie alle anderen Autos, die dort gestanden hatten. An Diebstahl dachte ich keinen Augenblick. Wer klaute schon so eine alte Kiste wie meinen Käfer? Sie hatten es abgeschleppt, weil es im verfluchten Halteverbot stand. Noch so eine blöde Erfindung. Ein Strafzettel hätte es ja wohl auch getan. Verdammte Bullen. 30 0 Mark oder so würde mich der Spaß kosten, aber in diesem Moment machte es mir überhaupt nichts aus. Ich musste sogar darüber lachen. Es passte so verdammt gut zu diesem beschissenen Tag, dass es schon wieder lustig war. Ich hätte sowieso nicht mehr fahren dürfen, so voll, wie ich war. Wahrscheinlich hatten sie mir noch einen Gefallen damit getan, diese Idioten. Das musste begossen werden.
    Ich lief über die Straße in Richtung Fressgass , weil es dort viele Kneipen gab. Ich wollte in Ruhe einen trinken, wo, war mir egal, also ging ich in den erstbesten Laden. Es war so eine Art Bistro und hieß Gurke oder Tomate oder so; nach einem dämlichen Gemüse auf jeden Fall. Das Publikum bestand ausschließlich aus Anzügen und Sakkos und Krawatten männlicherseits und schicken Kostümchen mit langen Locken auf der weiblichen Seite. Sicherlich war ich dort fehl am Platz, aber solange sie mir meine Ruhe ließen und sich über Autos, Börsenberichte und den neuen Julia-Roberts-Film unterhielten, gingen sie mir am Arsch vorbei. Ein junger Kellner mit schmierigen Haaren kam an meinen Tisch und glotzte mich an, ohne ein Wort zu sagen. Offensichtlich verspürte er nicht die geringste Lust, jemanden wie mich zu bedienen.
    »Einen Wodka-Lemon, bitte«, sagte ich.
    Auf Bier hatte ich keine Lust mehr. Zu viel Flüssigkeit, zu wenig Alkohol.
    »Zehn Mark«, sagte Schmierhaar.
    »Zehn Mark? Wofür?«, wollte ich wissen.
    Vielleicht musste ich mir eine Krawatte kaufen, um sitzen bleiben zu dürfen.
    »Für den Drink.«
    Ach so, für den Drink.
    »Im Voraus?«
    »Sicher.«
    »Ist das hier so üblich?«
    »Sicher.«
    »Glaub ich nicht.«
    »Wie bitte?«
    »Glaub ich nicht. Der Herr dort drüben trinkt schon sein zweites Bier und hat noch nicht bezahlt.«
    »Is ’n Stammkunde. Zehn Mark oder Sie gehen.«
    So nicht. Nicht mit mir. Wer mich loswerden wollte, musste es mir schon ins Gesicht sagen.
    »Bringen Sie mir meinen Drink und Sie bekommen Ihre zehn Mark. Ich bezahle nichts, was ich nicht vor mir sehe und anfassen kann. Und wenn Ihnen das nicht passt, zeige ich Sie wegen unterlassener Hilfeleistung an. Mein Vater ist nicht umsonst Anwalt. Also, was ist jetzt?«
    Ob er so dumm war und meine lächerlichen Drohungen ernst nahm, weiß ich nicht, aber zwei Minuten später stand ein Wodka-Lemon vor mir.
    »Sie können später zahlen«, sagte Schmierhaar.
    »Ich danke Ihnen vielmals«, sagte ich.
    Na also, es ging doch.
    Dem ersten Drink folgte ein zweiter und ein dritter und ich saß da, beobachtete die Leute und dachte über diesen miesen Tag nach. Das Scheißabitur und Hoffmann und Käthchen und mein Auto und, nicht zuletzt, Kelly, der einzige Lichtblick, die einzige Person, die diesen Tag noch retten konnte. Sie hatte mich schon einmal gerettet und sie würde es wieder tun. Mit einem Lächeln und einer Umarmung würde sie die Traurigkeit zum Teufel schicken und mich alles andere vergessen lassen. Ich nahm das T-Shirt aus der Tüte, um es noch einmal genau zu betrachten. Ja, es war genau das richtige Geschenk für Kelly. Sie würde es lieben, und wenn sie das T-Shirt erst mal liebte, wäre es nur noch ein kleiner Schritt bis zu mir.
    »Hey, Sunshine!«, rief jemand.
    Sunshine. Das konnte nur jemand aus der Schule sein. Ich

Weitere Kostenlose Bücher