Sozialisation: Weiblich - männlich?
(oder aus Angst vor Homosexualität) „weichere“ Umgangsweisen unterbinden.
Nun gilt es allerdings zu berücksichtigen, daß die Familie kein luftdicht abgeschlossener Raum ist. Familiäre Erziehung läßt sich nicht auf das beobachtbare Verhalten von Müttern und Vätern reduzieren. in den meisten Familien findet zweifellos eine stete Berieselung mit Bildern und Erwartungen über die wesenhafte Differenz der Geschlechter statt. Lob und Bestätigung für Verhalten, das der Norm entspricht, gehören innerhalb wie außerhalb der Familie zum Alltag.
Constantinople
(1979, S. 130-31) unterstreicht, daß diese Reaktionen derart flüchtig und selbstverständlich sind, daß Eltern (und Pädagogen) außerstande sind, sie an sich selbst zu bemerken und sie mitzuteilen. Auch wenn dies berücksichtigt wird, ist zu vermuten, daß der Einfluß der Eltern in den gängigen Theorien überschätzt wurde. Heftige Debatten in pädagogischen Zeitschriften – etwa zur Frage des richtigen Umgangs mit dem Wunsch des Sohnes nach einer Spielzeugpistole – legen Zeugnis davon ab, daß Mädchen und Jungen schon im frühen Vorschulalter ihre Eltern mit Vorlieben und Wunschvorstellungen konfrontieren, die den Normen der umgebenden Gesellschaft entspringen. Es
ist keineswegs sicher, daß elterliche Erziehungsmaßnahmen die Annahme der Geschlechtsrolle bzw. der altersentsprechenden Requisiten unmittelbar beeinflussen können. Selbst ein strenges Verbot von „Jungenspielen“ für die Tochter führt nicht ursächlich dazu, daß das Mädchen gerne mit Puppen spielt.
Zu den Einflüssen, die in die Familie hineinreichen, ohne auf sie reduzierbar zu sein, gehört die geschlechtsspezifische Verteilung von Spielsachen. Sie ist in den ersten zwei Lebensjahren noch nicht ausgeprägt
(Maccoby/Jacklin
1974, S. 327;
Stacey
u.a. 1974, S. 123). Unterschiedliche Farben, die Gestalten bei Mobiles und Stofftieren mögen für die Eltern selbst unterschiedliche Erwartungen symbolisieren; ein spürbarer realer Einfluß auf die Kinder ist kaum vorstellbar. Das Miniauto wird im zweiten Lebensjahr gleichermaßen von Mädchen wie von Jungen in seinen Eigenschaften als beliebig verfügbare Miniatur begeistert aufgegriffen; die Bedeutung als spezifischer Träger von Bewegungs-, Macht- und Entdeckungsphantasien und damit das geschlechtstypisch unterschiedliche Interesse an ihnen scheinen erst später zu entstehen. Amerikanische Untersuchungen belegen eine nach Geschlecht unterschiedliche Spielzeugausstattung vom 3. Lebensjahr an; Jungen haben demnach sowohl mehr als auch breiter gefächertes Spielzeug als Mädchen. Dieser Bereich ist wenig erforscht, und die Forschung leidet vor allem an der Neigung, Spielsachen altersunabhängig als mädchen- oder jungentypisch festzulegen, meist durch Befragung von Erwachsenen (so z. B.
Eisenberg-Berg
et al. 1979). Eine Untersuchung, bei der 3- bis 5-jährige Kinder sowohl nach der eigenen Auffassung, wie auch nach deren Einschätzung des Verhaltens von Erwachsenen gefragt wurden, zeigte da eine deutliche Differenz. Anhand einer Bildergeschichte, die einen Konflikt um ein Spielzeug zeigte, äußerten die dreijährigen Mädchen und Jungen die Erwartung, daß das Kind ihres eigenen Geschlechts das umstrittene Spielzeug bekommen würde und sollte, unabhängig von der Art des Spielzeugs. Von drei bis fünf nahm die Einschätzung zu, daß die Erwachsenen im Streitfall eine traditionell geschlechtstypische Lösung vornehmen würden aber die eigene Lösung war dies oft nicht. Etwa 60 % der vierjährigen Mädchen erwarteten, daß Erwachsene das „Jungenspielzeug“ dem Jungen geben würden, hätten es selbst aber dem Mädchen gegeben
(Muller/Goldberg
1980). Dies spricht dafür, daß Kinder etwa im 4. Lebensjahr die Erfahrung machen, daß Spielsachen nach Geschlecht verteilt werden. Bis zu diesem Alter sind sie allerdings auch in der Lage, das Spielwarenangebot der Geschäfte und des Inventars anderer Kinder einzuschätzen. In dem Maße, wie der Kauf von Spielsachen von dem ausdrücklichen Wunsch des Kindes beeinflußt wird, wirken so die Bewertungen der Umwelt deutlich in die Familie hinein. Und daß die Eltern im Konfliktfall den Lastwagen dem Bruder geben würden, bedeutet noch lange nicht, daß das Mädchen nie damit spielt.
Der Bereich der Spielsachen ist durch die ungeheure Ausweitung des Marktes sowie des Besitzstandes der meisten Kinder auch in knappen ökonomischen Verhältnissen komplexer geworden. Einerseits spielen Kinder
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