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Sozialisation: Weiblich - männlich?

Titel: Sozialisation: Weiblich - männlich? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Hagemann-White
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„na, da muß ich gerade Glück gehabt haben“, zieht es die eigene Eignung oder Fähigkeit in Zweifel. Kinder, die so reagieren, geben auch relativ schnell auf. Schon der erste Mißerfolg wird verallgemeinert, es werden dann keine Erfolge mehr erwartet. Dweck meint, daß bestimmte Kinder regelmäßig in dieser Weise reagieren; sie bezeichnet das Verhaltensmuster als „gelernte Hilflosigkeit“. Andere Kinder wiederum führen einen Mißerfolg zunächst darauf zurück, daß sie eben wohl nicht aufgepaßt haben, sich mehr Mühe geben müssen; d. h. sie suchen erst nach Erklärungen in Dingen, die sie selbst beeinflussen können. Wenn Kinder so reagieren können, unternehmen sie neue Anstrengungen, die Aufgaben weiter, vielleicht mit veränderter Herangehensweise zu lösen.
    Nun hat Dweck mehrfach festgestellt, daß das „hilflose“ Verhaltensmuster bei Mädchen deutlich häufiger vorkommt als bei Jungen. Ihre Bemühungen ließen nach, sobald ein Mißerfolg eintraf, auch wenn vorher mehrere Aufgaben gelungen waren, zum Teil wurden die Problemlösungswege sogar ungeschickter als zuvor. Dasselbe trat ein, wenn solche Kinder unter Druck gerieten, weil Mißerfolg wahrscheinlicher zu werden schien, oder weil die wertende Beobachtung auffälliger wurde. Um zu sehen, wie es dazu kommt, stellte Dweck Beobachtungen in Klassenzimmern an. Wie andere Forscher beobachtete auch sie, daß Jungen insgesamt mehr, sowie mehr tadelnde Lehrerreaktionen erhielten als Mädchen. Wichtig waren aber die Art der Reaktionen und die Anlässe. Jungen wurden überwiegend in bezug auf Disziplin und Ordnung getadelt oder auf Aspekte ihrer Arbeit, die nicht die intellektuelle Leistung betrafen. Bei den Mädchen hingegen war fast 90 % des Tadels auf die Leistung selbst gerichtet. Lob für Jungen andererseits bezog sich fast ausschließlich auf ihre Leistung; dies war deutlich seltener für Mädchen der Fall. Das bedeutet: Der Junge erfährt viele, und auch viele negative Reaktionen von Erwachsenen auf sein Verhalten; Tadel vermittelt aber selten Zweifel an seinem Können, Lob bestätigt fast immer, das er Gutes ja leisten kann. Die Zurechtweisungen sind oft diffus und haben wenig Relevanz für eine Bewertung seiner Fähigkeiten. Die Reaktionen von Erwachsenen gegenüber Mädchen hingegen sind vor allem dann auf ihre Leistungen bezogen, wenn sie negativ sind; gelobt werden sie eher für Wohlverhalten oder für die ordentliche Anfertigung der Aufgaben
(Diveck/Goetz
1978; ähnliche Daten bei
Frasch/Wagner
1982 für Deutschland und
Viaene
1979 für Belgien).
    Diese Ergebnisse stimmen gut mit denen von Clarricoates überein. Wenn Lehrer/innen damit rechnen, daß Jungen Disziplinschwierigkeiten bereiten werden und es schwer haben, lesen, schreiben und rechnen zu lernen, so liegt es nahe, daß sie deren Leistungen besonders loben und undiszipliniertes Verhalten und saloppe Arbeitsweisen zurechtweisen. Dabei wird den Jungen unter der Hand vermittelt, daß sie etwas, was ihnen schwer fällt, durchaus leisten können, wenn sie sich nur anstrengen. Mädchen hingegen, von denen Wohlverhalten erwartet wird, erfahren vor allem bei ungenügenden Leistungen Tadel; und da allgemein gute Leistungen und leichteres Eingewöhnen in der Schule von Mädchen erwartet werden, werden diejenigen, denen die Erfüllung der Anforderungen schwer fällt, eher vorschnell für minderbegabt gehalten. Möglicherweise ist es aber nicht Hilflosigkeit, wie Dweck meint, die erst gelernt werden muß. Vielmehr ist ein Lernen bei den „hilflosen“ Kindern ausgeblieben: nicht aufgebaut wurde das Zutrauen, etwas doch zu versuchen, was man noch nicht kann. Gerade weil Mädchen sich reibungsloser in die Schule einpassen, wird ihnen dies weniger beigebracht: Sie lernen, ihre Mißerfolge in der Schule als Ausdruck der Grenzen ihrer Fähigkeiten und nicht als Aufforderung zu neuen Bemühungen zu deuten.
    Dweck/Goetz haben, die Erklärung noch erwogen, ob männliche Sozialisation Jungen insgesamt mit einem besseren Selbstbewußtsein ausstattet. Wäre dies der Fall, dürften Jungen generell unempfindlicher auf negatives Feedback (auf Hinweise, man habe die Aufgabe falsch gemacht) reagieren als Mädchen. In der Versuchsanordnung zur Prüfung dieser These erhielten Mädchen und Jungen in der 4. bis 6. Klasse Aufgaben. Die Bewertung ihrer Lösungen wurde bei einem Teil von Erwachsenen, bei einem anderen von Gleichaltrigen ihnen mitgeteilt. Die eigenschaftspsychologische Grundannahme von Dweck, daß

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