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Sozialisation: Weiblich - männlich?

Titel: Sozialisation: Weiblich - männlich? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Hagemann-White
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inzwischen recht ausgiebigen Literatur über den Sexismus, ein relativ deutliches Bild dessen, was „Frau“ und „Mann“ jeweils symbolisch vertreten. Einige allgemeine Merkmale von Geschlechtersystemen, wie sie Ortner und Whitehead verallgemeinernd beschreiben, lassen sich kurz aufzählen, und es erübrigt sich geradezu, sie explizit für unsere Kultur zu erläutern; zu vertraut sind uns die Inhalte, die da anzuführen wären. So gilt recht allgemein, daß der Tätigkeitsbereich der Männer übergreifend ist und gewissermaßen den der Frauen umfaßt. Wird der öffentliche Bereich den Männern und der häusliche Bereich den Frauen zugewiesen, ist Öffentlichkeit als Sorge um das Gemeinwohl (also auch um die Bedingungen der Möglichkeit häuslichen Wirtschaftens) gedacht, während Frauenarbeit als Zuarbeit oder als Sorge um das Besondere, um die eigenen Angehörigen, das eigene Haus erscheint. In Verwandtschaftssystemen werden Rechte von Männern über ihre weiblichen Verwandten definiert, jedoch nicht Rechte der Frauen über sich selbst oder über ihre männlichen Verwandten. Soziale Statussysteme definieren viele Positionen für Männer, deren Merkmale nichts mit den evtl. Beziehungen des Mannes zu Frauen zu tun haben (Jäger, Krieger, Staatsmann); hingegen steht die Statuszuordnung von Frauen fast immer in Zusammenhang mit ihrer Beziehung zu Männern. Trotz der realen gegenseitigen Ergänzung der Arbeitsbereiche von Frauen und Männern gibt es nicht zwei sich ergänzende Wertrangordnungen, sondern nur eine, die die männlichen Eigenschaften höherbewertet.
    Wenn wir aber die „männlichen“ und „weiblichen“ Eigenschaftszuweisungen und ihre relative Bewertung für unsere Kultur gut kennen, wissen wir auch, daß diese Eigenschaften immer auch fiktiv sind. In der Praxis werden Personen nicht dann dem einen oder dem anderen Geschlecht zugewiesen, wenn sie die dazugehörigen Eigenschaften unter Beweis gestellt haben, sondern umgekehrt werden ihnen die Eigenschaften unterstellt und ihr Verhalten wird bewertet nach Maßgabe ihrer Geschlechtszugehörigkeit; außerdem werden zahlreiche Ausnahmen tagtäglich akzeptiert. Dem Neuankömmling in unserer Kultur würde es wenig nutzen, zu lernen, daß Männer immer mutig und Frauen immer ängstlich sind, es würde vielmehr seine Orientierung eher verwirren. Um die geschlechtliche Sozialisation zu begreifen, müssen wir vielmehr wissen, wie Frauen und Männer in unserer Kultur identifiziert werden. Hier sind die Untersuchungen von
Kessler/McKenna
(1978) zur alltäglichen Konstruktion der Geschlechter wegweisend.
    Kessler und McKenna haben eine erste Antwort auf die Frage gegeben, welche Inhalte die
Alltagstheorie der Zweigeschlechtlichkeit
hat. Sie beinhaltet: die Eindeutigkeit – jeder Mensch ist entweder weiblich oder männlich, und dies ist im Umgang erkennbar; die Naturhaftigkeit – Geschlechtszugehörigkeit muß körperlich oder biologisch begründet sein; und die Unveränderbarkeit – sie ist angeboren und kann nicht gewechselt werden, allenfalls eine Berichtigung eines ursprünglichen Irrtums ist denkbar. im einzelnen verfolgen sie empirisch, wie alle Beteiligten im Umgang mit der Transsexualität – die an sich dieser Theorie widerspricht – bemüht sind, sie in diese Alltagstheorie einzufügen, um die Legitimität des kulturell eigentlich vollends unerlaubten Wechsels herzustellen. So müssen z. B. Transsexuelle überzeugend darstellen, daß sie immer schon sich als dem anderen Geschlecht zugehörig gefühlt haben, damit das bisherige Geschlecht als zu berichtigender irrtum der Zuweisung eingestuft werden kann. „Neue“ Transsexuelle leben in der Angst, „entdeckt“ zu werden, es kommt ihnen darauf an, in allen Interaktionen als „echte“, d. h. immer schon gewesene Frauen zu gelten, die niemals Männer gewesen sind. Erfahrene Transsexuelle haben oft entdeckt, daß die Alltagstheorie der Zweigeschlechtlichkeit auch für sie arbeitet: Es kommt nur darauf an, bei der ersten Begegnung selbstverständlich dem „richtigen“ Geschlecht zugeordnet zu werden. Diese Erstzuordnung ist eben wegen des Glaubens an die Eindeutigkeit und Unveränderbarkeit resistent gegen „Fehler“ in der Folge: Sie werden ggf. übersehen, überhört, oder in einer Weise gedeutet, die mit dem zuerst angenommenen Geschlecht vereinbar ist. Die „Arbeit“ der Vereinbarung abweichender Informationen mit dem zuerst angenommenen Geschlecht wird zum weitaus größten Teil von den

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