Speichelfaeden in der Buttermilch
ständigem Kleinkrieg mit Naturschützern und uneinsichtigen Förstern, die sich erst zurückzogen, als Grissemann mit seiner Axt einen keifenden Förster enthauptete. Dabei ist Weihnachten doch das Fest der Liebe. Das FM4- Gelände ist von einem massiven Polizeiaufgebot umstellt. Wir lassen uns davon aber nicht beirren und machen mit den Weihnachtsvorbereitungen weiter. Wir haben die 150 Bäume ineinander gesteckt, aber es ist unmöglich, den riesigen Baum aufzustellen; vor allem, weil wir von der Polizei mit Schlagstöcken und Wasserwerfern bearbeitet werden. Das hat doch alles mit Radiomachen nichts mehr zu tun.
19.11.
Wir alle konnten uns nicht erklären, warum seit Wochen unzählige Lastwagenlieferungen mit Schuhen, Stiefeln und Socken eintrafen, die alle vor dem Funkhaus von Senderchefin Eigensperger und Chefcontroller Blumenau entgegengenommen wurden. Naiverweise dachten wir, die Lieferung sei für uns bestimmt, weil wir doch seit einem Jahr bloßfüßig arbeiten müssen, um den Teppich nicht zu beschmutzen – aber weit gefehlt. Wie Spitzel Thomas Edlinger herausgefunden hat, ist das ganze Schuh- und Strumpfwerk für den 6. Dezember bestimmt, an dem ja der Nikolaus Geschenke bringt, die er in Schuhe und Strümpfe steckt. Eigensperger und Blumenau werden 12.000 Paar Schuhe und fast 50.000 Socken vor die Tür stellen. Von uns bloßfüßigen Dienern wird erwartet, die Schuhe und Socken mit großzügigen Geschenken zu füllen, weil es den Nikolaus ja nicht gibt. Wir müssen neue Kredite aufnehmen. 60.000 Geschenke wollen erstmal finanziert sein.
Die meisten Kollegen haben eine chronische Blasenentzündung durch das ständige barfuß Gehen. Außerdem sind die Füße wund, nicht nur wegen der ständigen Schläge auf die Fußballen, sondern vor allem durch die vielen Glassplitter der Wodkagläser, die Chefcontroller Blumenau nach schöner alter russischer Tradition nach dem Austrinken auf den Boden knallt. Gestern waren zwei moslemische Extremisten im Funkhaus, die aber sofort aus Angst und blankem Entsetzen vor Blumenau die Flucht ergriffen. Das gibt uns allen hier zu denken. Der Chefcontroller verfolgte sie und ließ sie nicht gehen, ehe die armen Extremisten kleine feine orientalische Geschenke in einen christlichen Socken steckten. Das hat doch alles mit Radiomachen nichts mehr zu tun.
20.11.
Chefcontroller Blumenau hat sich gestern mit dem Boxer Graciano Rocchigiani und dem Hannoveraner Adeligen Prinz Ernst August getroffen, um sich über das Thema »Konfliktlösung« auszutauschen. Ernst August schenkte Blumenau einen Schirm, den er gleich an Kollegen Schindler ausprobierte. Der Schirm funktionierte, aber Schindlers rechtes Ohr jetzt leider nicht mehr. Die Köche aus der Kantine spotten, Schindlers Ohr sehe aus wie Zürcher Geschnetzeltes. Blumenau hat wortwörtlich die Schirmherrschaft über FM4 übernommen. Sonst war der Tag sehr ruhig, was nicht zuletzt daran liegt, dass alle Mitarbeiter, die nicht gerade »on air« arbeiten, geknebelt auf ihren Bürostühlen zu sitzen haben.
Chefcontroller Blumenau unterschreibt gerade eine Autogrammkarte für Richter Gnadenlos. Ich habe gestern heimlich einen Brief aus England gelesen, der an den Chefcontroller adressiert war. Ein Brief von Margaret Thatcher, in dem sie ihn wörtlich als die »eigentliche eiserne Lady« bezeichnet. Senderchefin Eigensperger liegt – wie immer – schnarchend in ihrer Hängematte, während Praktikant Schindler vor Kälte und körperlicher Schwäche in seinem Sessel kauernd jammert. Überhaupt sehen sämtliche Mitarbeiter aus wie diese kleinen nackten Schoßhunde, die angebunden vor Supermärkten vor sich hin zittern. Vor jeder Hilfe von außen schirmt uns Blumenau im wahrsten Sinne ab.
21.11.
Statt der seit Jahren versprochenen Gehaltserhöhung haben die jungen FM4- Mitarbeiter alle zusammen eine Familienpackung Prozac bekommen. Und sie dürfen pro Tag fünf Minuten die Schreibtischlampe anmachen, als Lichttherapie gegen die erdrückenden Depressionen. Und endlich dürfen sie, wenn sie von Chefcontroller Blumenau oder der Senderchefin angebrüllt werden, weinen – ohne Konsequenzen. Stummes Weinen allerdings nur. Lautes straffreies Weinen hat man ihnen für Sommer 2004 in Aussicht gestellt. Es wird also besser. Aber wann wird es endlich so weit sein, dass sie straffrei aus Erschöpfung umfallen dürfen? Na ja, man sollte nicht gleich nach den Sternen greifen.
Hier beim ORF gab es seit 1945 keine Gehaltserhöhungen. Noch
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