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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta Maier
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kontrollieren und mich mit ganzer Seele zugrunde richten.
    »Würdest du sie töten, wenn sie ein Spiegelblut wäre?«, hörte ich Damontez fragen.
    »Sicher nicht. Ich würde dir mit ihrer Hilfe die Seelenhälfte stehlen und dich anschließend töten, um das Mädchen ganz für mich zu haben!« Remo lachte und machte einen Schritt zurück.
    »Vielleicht halte ich das umgekehrt ebenso, sollte sie ein Spiegelblut sein.«
    »Oh ja, wir alle wissen, dass der gute Damontez diese Seele doch viel mehr verdient. Am Ende konntest du ja sogar meinen Vater davon überzeugen, dass du unschuldig bist.«
    »Da gab es nichts zu überzeugen. Es bedurfte nur einiger Jahre, bis er es herausgefunden hatte.«
    »Ich weiß, dass er dir schreckliche Dinge angetan hat.« Remo klang beinahe bedauernd. Über was immer er sprach, Damontez wollte es am liebsten ungesagt lassen. »Sind die Wunden mittlerweile verheilt?«
    Als Damontez nicht antwortete, kam Remo wieder auf ihn zu. Fast wirkte es, als bannte er seinen Seelenbruder mit falscher Anteilnahme. »Du weißt, welche Wunden ich meine, nicht wahr? Nicht die, die Ermes und Gian dir mit den Messern und Lederriemen zugefügt haben, sondern die anderen.« Er streckte seinen Arm in Damontez’ Richtung aus. »Einmal stand ich vor der Tür des Kerkers. Ich habe deine Schreie gehört. Sind sie –?«
    »Nein, sie wurden mit Licht gemacht. Sie werden niemals heilen. Nicht bei mir.«
    »Diamantgeißeln können furchtbare Wunden reißen. Man sagt, die Schmerzen würden einen um den Verstand bringen.«
    »Heute sind es schwarze Narben. Sie brennen in der Dämmerung und im Morgengrauen, bei jedem Lichtwechsel. Du hättest ihm sagen können, dass du für all die schrecklichen Taten verantwortlich warst. Aber du hast mich deine Schuld bezahlen lassen.« Damontez klang nicht verbittert, eher so, als hätte er nie verstanden, wieso Remo ihn im Stich gelassen hatte.
    »Es tut mir nicht leid. Das ist mein Wesen, Damontez. Ich wünschte, ich könnte dir etwas anderes sagen.«
    Remo stand ganz nah bei ihm. Ich spürte das hektische Flirren zweier Seelenstücke, die sich näher kamen, als wollten sie sich umarmen. Stille spann einen Kokon um die Brüder, sie war so dicht, dass ich sie mit der Spiegelsicht sah, feine Fäden aus dem Garn des Schweigens. So sollte es immer sein, aber sobald sie sich voneinander entfernten, tobte in ihnen der Sturm.
    »Nimm dich in acht vor der Liebe, Damontez! Mehr kann ich dir heute nicht sagen. Du hast das Mädchen vor mir verborgen. Ob das klug oder dumm war, weiß ich selbst noch nicht. Du hast mich gespürt und gewusst, ich würde kommen, nur deshalb hast du dich auf einen Kampf mit Faylin eingelassen, obwohl ihr so wenige wart. Aber noch einmal ziehe ich deinen Kopf nicht aus der Schlinge. Faylin ist und bleibt eine Gefahr. Vor allem für dieses Mädchen, wie es aussieht.«
    »Ich weiß.«
    »Vielleicht wird es eines Tages nur möglich sein, sie bei mir zu beschützen. Nur für den Fall, dass sie tatsächlich ein Spiegelblut ist …«
    »Ich kann mir bei dir fast alles vorstellen«, sagte Damontez trocken. »Nur nicht, dass sie bei dir in Sicherheit wäre.«
    Remo lächelte und sah haarscharf an mir vorbei auf einen der Ziersträucher. »Denk daran: Dein Begehren ist mein Begehren. Deine Freundschaft meine. Ich fürchte, dass es sich mit der Liebe ebenso verhält.« Er drehte sich um und fügte beiläufig an: »Ihr solltet jetzt gehen. Wir garantieren eurem Clan dieses Mal sicheres Geleit. Faylin will es sich offiziell ja nicht mit mir verderben. Wer macht sich schon gern den Königssohn zum Feind – in dieser Zeit!« Er lachte. »Ja, es kann auch von Vorteil sein, nur eine Seelenhälfte zu besitzen. Beide Seiten halten dich für unberechenbar, du gehörst nirgendwo wirklich dazu und stehst doch ganz oben.« Im Weggehen warf er Damontez noch ein: »Pass schön auf unsere Seele auf, ich gedenke heute Nacht noch zu töten wie ein Nefarius«, vor die Füße wie einen Knochen. Dann verschwand er in der Dunkelheit und nahm die Stille mit sich wie einen kostbaren Schatz.
    Damontez blickte ihm minutenlang hinterher. Auf gar keinen Fall durfte er mitbekommen, dass ich alles gehört hatte. Ich legte mich auf den Platz, an dem ich bewusstlos geworden war, und schloss die Augen. Wartete, bis die Stille diesem Ort die Lebendigkeit zurückgab und alle anderen aus ihrer Regungslosigkeit entließ. Scheinbar konnten nicht nur die Engel der Äonen das Zeitgefühl verändern, sondern auch

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