Spiel der Schatten (German Edition)
er sich keineswegs sicher war.
»Wenn es so ist, brauchst du dir ja keine Sorgen zu machen. Aber was, wenn nicht? Eben noch hast du das arme Mädchen für verrückt gehalten. Ist dir klar, dass du dich gerade mit einer Puppe unterhältst, Buster?«
»Wo… woher kennst du meinen Namen?«
»Ich weiß manches über dich, Buster. Zum Beispiel, dass du es hasst, hier zu stehen und Kuchen zu verkaufen.«
»Das … das stimmt.«
»Dass dein größter Traum darin besteht, irgendwann einen richtigen Laden zu haben.«
»Das ist auch richtig.«
»Und dass du deine Kunden regelmäßig betrügst, um dieses Ziel zu erreichen.«
»Das ist nicht wahr!«, protestierte der Kuchenverkäufer lautstark und zur Verwunderung seiner Kollegen, die ihre Stände gleich nebenan aufgeschlagen hatten, jedoch niemanden sprechen hörten außer den alten Buster.
»Natürlich ist es wahr! Darum wirst du das Mädchen jetzt auf der Stelle einen deiner Kuchen aussuchen lassen, hast du verstanden? Und weil es dir wirklich leidtut, wirst du außerdem noch einen Shilling drauflegen.«
»Was?« Die Augen des Händlers begannen vor Wut zu leuchten. »Ich denke ja gar nicht daran!«
»Auch gut. Dann werde ich eben von nun an ständig in deinem Kopf umherspuken und mit dir sprechen, das wird sicher lustig. Ich bin sicher, dass sie in Bedlam noch Platz für dich haben!«
»Schon gut, schon gut!«, zeigte sich der Gauner plötzlich einsichtig. »Such dir nur aus, was du haben willst, mein Kind«, wandte er sich mit gequältem Lächeln an Cyn. »Die Apfelpastete? Natürlich, nimm nur! Und hier hast du noch einen Shilling obendrauf!«
»Nein, danke«, wehrte Cyn beschämt ab, die nur das haben wollte, was ihr zustand. »Das ist nicht nö…«
»Ich bestehe darauf«, versicherte er und drückte ihr das Geldstück in die Hand. »Nur hör bitte damit auf, ja? Wirst du das tun?«
Der Blick, mit dem er sie anstarrte, hatte etwas Flehendes, aber Cyns Mitleid hielt sich in Grenzen – schließlich hatte der Kerl sie um ihr letztes Geld betrügen wollen, und vermutlich war sie nicht die Erste, der es so ergangen war.
»In Ordnung«, erklärte sie sich deshalb großmütig bereit, »aber ich warne dich: Von nun an wirst du anständig arbeiten, hast du verstanden? Du wirst niemanden mehr übers Ohr hauen, oder ich komme wieder!«
»Nein! Alles, nur das nicht«, bettelte er und senkte das Haupt wie ein armer Sünder, zur Belustigung seiner Kollegen, die mit dem Finger auf ihn zeigten und ihn auslachten.
»In Ordnung«, raunte Milo Cyn zu. »Und jetzt nichts wie weg von hier!«
Das ließ sich Cyn nicht zweimal sagen.
Den Puck auf dem linken Arm, das Geld und den Apfelkuchen in der rechten Hand, wandte sie sich ab und ging mit raschen Schritten die Straße hinab, die inzwischen zu vollem Leben erwacht war. Droschken und Fuhrwerke verkehrten, und auf den Bürgersteigen wimmelte es von Passanten, sodass es nicht weiter schwierig war unterzutauchen.
Erst zwei Straßenzüge weiter blieb Cyn stehen, an der Mündung einer Gasse, die auf einen Hinterhof führte. Jetzt erst bemerkte sie, wie mächtig ihr Hunger war, und sie biss kurzerhand von dem Kuchen ab, der wirklich großartig schmeckte, nach Zucker und Zimt und ohne dass Sand oder Sägemehl zwischen den Zähnen knirschte.
»Danke«, meinte Cyn mit vollen Backen.
»Gern geschehen«, erwiderte Milo.
»Du kannst ja sogar richtig nett sein«, wunderte sie sich. »Manchmal wenigstens.«
»Zufall«, beschied der Junge ihr.
»Gestattest du, dass ich dich für einen Moment abstelle?«, fragte sie. »Es ist schwierig, Kuchen zu essen, wenn man eine Puppe auf dem Arm hat.«
»Nur zu. Aber bitte vergiss nicht, dass ich nicht die Puppe bin, sondern ihr Schatten. Und streng genommen noch nicht einmal das.«
»Ich weiß. Das alles ist wirklich verrückt.« Cyn bückte sich und setzte den Puck sanft auf den Boden. Dann wandte sie sich wieder der Pastete zu und biss genüsslich ab.
»Ist das Zeug wirklich so gut?«, wollte Milo wissen.
»Willst du probieren?«
»Sehr witzig.«
An seiner Reaktion merkte Cyn, dass sie ihn gekränkt hatte, und es tat ihr leid. »Hast du denn noch nie Apfelkuchen gegessen?«, fragte sie. »Ich meine, noch nicht einmal früher?«
»Nein«, kam es zurück. »Noch nicht einmal früher.«
»Hm«, überlegte Cyn. Ihr Blick wanderte zwischen dem Puck und dem halb aufgegessenen Stück Kuchen hin und her.
»Was hast du?«
»Na ja, ich glaube, ich habe eine Idee. Du kannst fühlen, was
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