Spiel der Teufel
bedauernd
und sah ihn wieder kurz von der Seite an.
»Frau Wegner, manchmal sind es Kleinigkeiten, die uns weiterhelfen.
Können wir beginnen?«
»Fragen Sie.«
»Wann haben Sie Gerd zuletzt gesehen?«
»Vor fast zwei Wochen, es war am Samstagmittag. Er hat bei
mir gegessen. Ich hatte Kartoffelsuppe mit Würstchen gekocht,
das war eine seiner Lieblingsspeisen, die er zu Hause ja nie bekam.
Er kam immer zu mir, wenn er mal was Richtiges essen
wollte und nicht immer nur dieses russische Zeug«, bemerkte
sie abfällig.
»Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, aber kann es sein, dass
Sie und Nina nicht besonders gut miteinander auskommen?«
»Wieso? Hat sie Ihnen das gesagt?«
»Nein.«
»Das tut auch nichts zur Sache. Sie ist oder war nicht gut für
Gerd. Er hatte etwas Besseres verdient. Aber glauben Sie mir,
das lag nicht an mir, dass wir uns nicht verstanden. Sie ist mir
von Anfang an aus dem Weg gegangen, sie wollte nichts mit mir
zu tun haben. Die arme kleine Rosanna, Gott sei ihrer armen
Seele gnädig, habe ich kaum einmal zu Gesicht bekommen, weil
Nina das nicht wollte. Sie hat immer einen Grund gefunden,
warum es nicht ging, obwohl wir einen Termin ausgemacht hatten.
Entweder ging es Rosanna nicht gut oder ihr ... Und Gerd
hat sie jedes Mal in Schutz genommen und gemeint, ich solle ihr
das nicht übelnehmen, sie sei nun mal so.« Frau Wegner machte
ein zutiefst enttäuschtes und gekränktes Gesicht und fuhr fort:
»Sie ist nun mal so! Als Großmutter möchte man doch das
Enkelkind wenigstens hin und wieder sehen, vor allem, wenn es
nur ein paar Kilometer entfernt wohnt. Verstehen Sie, es hätte
mir schon gereicht, sie ein-, zweimal im Monat zu sehen.
Irgendwann hab ich's dann aufgegeben. Als hätte ich die Krätze,
so hat sie mich behandelt. Aber wenn wir doch mal zusammen
waren, dann war sie scheißfreundlich. So viel dazu.«
»Das ist aber nicht die Nina, die ich kenne«, sagte Henning.
»Und Gerd hat sie vergöttert.«
»Tja, ich verstehe das auch nicht. Aber es ist wohl so, wie immer
gesagt wird, wo die Liebe hinfällt. Gerd war blind, etwas
anderes fällt mir dazu nicht ein.«
Ohne darauf einzugehen, meinte Henning: »Sagen Sie, als Gerd
das letzte Mal bei Ihnen war, wie hat er sich verhalten? Anders
als gewöhnlich?«
»Ich habe Gerd nicht oft gesehen, höchstens einmal im Monat,
und dann kam er meist allein.« Sie überlegte und schüttelte den
Kopf. »Nein, er war wie immer. Wir haben uns ganz normal
unterhalten, bis er zum Dienst musste.«
»Hat er mit Ihnen jemals über seine Arbeit gesprochen?«
»Nein. Nach dem Tod meines Mannes hatten wir vereinbart,
niemals über diesen unseligen Beruf zu sprechen. Er hat mir
meinen Mann genommen und jetzt auch noch meinen Sohn.
Das ist ungerecht, das ist so ungerecht.«
»Ich kann Sie verstehen. Kann ich noch irgendetwas für Sie tun?«
»Ja, schnappen Sie den Mörder meines Sohnes, damit ich vielleicht
irgendwann wieder ruhig schlafen kann. Herr Harms hat
meine Telefonnummer, falls Sie noch Fragen haben. Ich würde
jetzt gerne wieder gehen, ich bin müde.«
»Selbstverständlich. Wie sind Sie gekommen? Mit Ihrem Auto
oder ...«
»Nein, mit einem Taxi. Wären Sie so freundlich, mir eins zu
rufen?«
»Nicht nötig, ich werde veranlassen, dass Sie nach Hause gebracht
werden. Das ist das wenigste, was wir für Sie tun können.
Und natürlich werden Sie eine der Ersten sein, die es erfahren,
wenn wir denjenigen haben, der Gerd auf dem Gewissen
hat.«
»Ich danke Ihnen«, sagte Frau Wegner, als Henning zum Telefon
griff und einen Streifenwagen anforderte.
»Keine Ursache. Zwei Beamte werden gleich hier sein und Sie
abholen.«
»Wann wird mein Sohn freigegeben?«
»Da müsste ich selber nachfragen, aber es dürfte eigentlich spätestens
morgen sein. Ich lass es Sie wissen.«
Er hatte es kaum ausgesprochen, als ein uniformierter Beamter
anklopfte und nach einem »Herein« eintrat. Frau Wegner
reichte Henning die Hand und verabschiedete sich von ihm.
Bevor sie das Büro verließ, sagte sie noch: »Ich weiß, dass Sie
auch kein leichtes Leben hatten. Deswegen glaube ich, dass Sie
mich wirklich verstehen. Gerd hat sehr viel von Ihnen erzählt
und wie viel ihm Ihre Freundschaft bedeutet hat. Er hatte
nämlich sonst keine Freunde, nicht einmal in seiner eigenen
Abteilung.«
»Moment mal«, sagte Henning, »ich denke, er hat mit Ihnen
nicht über seinen Beruf gesprochen.«
»Hat er auch nicht.
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