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Spiel der Teufel

Titel: Spiel der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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gegenüber den Schein der Legalität zu wahren. Wie ist das eigentlich,
man hört doch immer wieder davon, dass mit einem
Spenderorgan auch etwas von dem Spender übertragen wird,
ich meine damit irgendwelche Eigenschaften ...«
    »Das gehört wohl eher ins Reich der Legenden. Natürlich wird
immer mal wieder davon berichtet, aber ich geb nicht allzu viel
drauf. Es ist ein Organ und nicht die Seele, wenn so was wie
Seele überhaupt existiert. Sorry, aber ich bin Existenzialist und
Nihilist und glaube nicht an irgendwelchen überirdischen
Humbug. Hat vielleicht auch was mit meinem Beruf in der
Gruft zu tun. Wenn du dauernd von Toten umgeben bist, wirst
du ganz schnell zum Realisten.«
    »Und wenn da doch was dran ist?«
    »Dann leiden die Betroffenen, oder es geht ihnen besser als zuvor.
Tut mir leid, ich kann die Frage nicht beantworten, weil ich an
diesen Kram nicht glaube. Sicher mag es Dinge zwischen Himmel
und Erde geben, die wir nicht erklären können, aber ich glaube
nicht an einen Himmel, in dem ein Gott oder ein übernatürliches
Wesen lebt. Ich sehe nur jeden Tag die Realität auf meinem Tisch,
und die ist alles andere als erbauend. Wenn ich ein verhungertes
oder zu Tode misshandeltes Kind bekomme und aufschneiden
muss, dann frag ich mich, wo dieser angebliche Gott war, als so
was passiert ist. Mag zynisch klingen, ist aber so. Nihil est in intellectu,
quod non sit prius in sensu - nichts ist im Verstand, was
nicht vorher im Sinnesvermögen gewesen ist. Und ich glaube nur
an meine fünf Sinne und deren Wahrnehmung. Und deshalb genieße
ich das Leben in vollen Zügen. Sieht man mir auf den ersten
Blick nicht an, was? Noch einen Single Malt?«
    »Nein, danke«, sagte Santos, »zwei reichen vollkommen. Wir
haben heute Abend auch noch einiges vor.«
    »Wenn das so ist, muss ich mir wohl oder übel allein die Kante
geben. Kleiner Scherz. Und mit Gerd, da seid ihr sicher, dass er
Organhändlern auf die Schliche gekommen war?«
    »Noch haben wir keine andere Erklärung für sein gewaltsames
Ableben. Danke für den Whiskey, war eine neue Erfahrung«,
meinte Santos.
    »Wollt ihr etwa schon gehen und mich hier allein lassen?«
    »Einem waschechten Existenzialisten fällt doch bestimmt ein,
was er mit dem verbleibenden Tag und vor allem der Nacht anfangen
kann«, erwiderte Santos mit dem charmantesten Lächeln,
dem selbst der härteste Mann nicht widerstehen konnte.
    »Das wusste ich schon vorher, ich hab da nämlich vor wenigen
Tagen eine bezaubernde junge Dame kennengelernt, die sehnlichst
darauf wartet, von einem Professor der Leichenschändung
beglückt zu werden. Entschuldigung, wenn ich etwas
ordinär klinge, liegt am Whiskey. Er löst meine Zunge und
senkt meine ohnehin kaum vorhandene Schamgrenze auf den
absoluten Nullpunkt. Ciao, ihr beiden, und passt auf euch auf.«
    Er hob sein Glas, trank es leer, holte eine weitere Zigarette aus
der Schachtel, die fünfte oder sechste, seit sie zusammensaßen,
und steckte sie an.
    »Rauchst du immer so viel?«, fragte Henning.
    »Seit ich denken kann, na ja, sagen wir, seit ich zwölf war. Wenn
man mich eines Tages aufschneidet, wird man nur einen Haufen
Teer finden, vorausgesetzt, man schneidet mich überhaupt
auf, was ich ehrlich gesagt eher bezweifle, bei den Kürzungen
in unserm Budget und den immer weniger werdenden Rechtsmedizinern
«, antwortete er grinsend.
    »Du hast aber keine Angst davor, dass man dich deiner Eingeweide
beraubt«, meinte Henning ebenfalls grinsend.
    »Die können mit mir machen, was sie wollen. Tot ist tot und
bleibt tot.«
    »Dann mal einen vergnüglichen Abend«, sagte Henning und
erhob sich zusammen mit Santos und dankte Jürgens noch mal
für den Whiskey.
    »Den werde ich garantiert haben«, erwiderte Jürgens, sah Henning
und Santos hinterher und fügte leise hinzu: »Garantiert
werde ich den haben.«
    Er bestellte sich noch einen Whiskey, rauchte zu Ende und beglich
die Rechnung. Dann begab er sich nach draußen, setzte
sich in seinen Jaguar und fuhr in die Bartelsallee. Er hatte keine
Angst, um diese Uhrzeit von der Polizei angehalten zu werden,
hatte er doch ein Schild mit der Aufschrift »Arzt im Einsatz«
an die Windschutzscheibe geklebt. Er hatte freie Fahrt.
     

DONNERSTAG, 17.25 UHR
     
    »Ich dachte immer, der sei verheiratet«, sagte Santos, als sie
nach Hause fuhren.
    »Ich auch. Merkst du was? Wir wissen so gut wie nichts über
die, mit denen wir so oft und viel zu tun

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