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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Schule, die hirnverbrannte 80er-Jahre-Party und die Möglichkeit, mich von Benni für eine der Abertausend Schul-AGs überreden zu lassen, wie er es seit zwei Wo­chen versuchte. Alles relativ einfach und berechenbar. Mit normalen Menschen.
    Und dann waren da die merkwürdigen Erlebnisse im Wald, der Abend bei Colin - und Louis. Der furchterregende, schöne Louis. Aber auch meine Lügen und Geheimnisse. Meine Eltern wussten eigentlich nichts mehr von mir. Und es störte mich kaum. Außer­dem hatte ich nun mal großspurig angekündigt, Louis kennenler­nen zu wollen. Es war zwar eine Lüge gewesen, ja, ein Trick - aber sollte ich deshalb kneifen? Vor Sir Blackburn klein beigeben? Nein, das wollte ich auf keinen Fall.
    »Dann bin ich eben ein lästiges Insekt«, sagte ich trotzig in die nächtliche Stille hinein. »Dann suche ich morgen den Stall, in dem dein schreckliches Pferd steht.« Die Gelegenheit war günstig, denn nach dem Volleyball hatte ich in der Umkleidekabine mitgehört, wie Maike, Lola und das Busenwunder sich fürs Kino verabredet hatten. Sie würden also nicht im Stall sein. Niemand würde mich begaffen können, wenn ich erneut vor lauter Angst in mich zusam­mensank.
    »Gut«, murmelte ich zufrieden. Ich würde einfach an die Stelle zurückkehren, an der Colin mich von der Ruine geklaubt hatte, und den Pfad weitergehen. Vielleicht führte er zum Stall. Ich würde vor­her die Wetternachrichten hören und im Internet den Regenradar überwachen. Und ich würde mich angemessen kleiden.
    Langsam begann mir die grelle Festbeleuchtung in meinem Zim­mer wehzutun. Ich knipste alle Lampen aus, tauchte zurück in die Dunkelheit und rollte mich auf meinem Bett zusammen. Es war eine Erleichterung, die Augen zu schließen und mich der Macht des Schlafes zu beugen. Er war ein willkommenes, weiches Nest für meine verwirrten Gefühle und so erwartete ich sehnlichst den Au­genblick, in dem mein Bewusstsein die Realität verließ und ich end­lich körperlos wurde.
    Ich sank hinab auf eine weiße, weite Schneelandschaft. In eine Sen­ke duckte sich ein verwittertes Steinhaus, Mittelpunkt eines ein­samen bäuerlichen Anwesens mit Ziehbrunnen im Hof und schäbi­gen Stallgebäuden. Am Horizont erhoben sich schroffe Hügel und ein eisiger Wind bog die wenigen kahlen Bäume gen Osten.
    In einer berauschenden Geschwindigkeit glitt ich auf das Haus zu und lugte durch eines der quadratischen Fenster. Eine Frau mit rot­blondem Haar saß mit dem Rücken zu mir auf einem Schemel und strich sich immer wieder über die Brust. Ich beförderte mich allein durch Willenskraft durch das geschlossene Fenster und beobachtete neugierig, wie ihre Muttermilch mit bläulichem Schaum in einen kupfernen Becher strömte. Ich schämte mich nicht, ihr dabei zu­zuschauen. Sie sah mich ja nicht. Doch ich sah sie, überdeutlich und, wenn ich wollte, auch in Nahaufnahme.
    Sie wirkte nicht glücklich. Nein, ihr Gesicht war angsterfüllt wie in jener Nacht, als sie nach oben zum kalten Dachboden geschaut hatte, wo das Baby allein in seiner Wiege wachte.
    Nun stand sie seufzend auf, schritt zur Tür und öffnete sie. Ich folgte ihr. Mit einem leisen Platschen ergoss sich die Milch auf das feuchte Stroh vor der Schwelle. Ein schlammverkrustetes Schwein lief grunzend darauf zu. Sein kurzer Rüssel bebte, als es an der ver­sickernden Milch schnupperte, um ihre Reste schließlich gierig auf­zulecken.
    Oh Gott - das Baby! Das Baby lebte nicht mehr. Die Milch floss umsonst. Ich ließ die Mutter zurück ins Haus gehen. Sie hatte das Baby dort oben erfrieren lassen, schutzlos und allein. Aber warum wirkte sie dann ängstlich? Und nicht traurig oder schuldbewusst? Wieso konnte ich nicht einmal die Spur eines schlechten Gewissens in ihren blassen Augen erahnen?
    Mein Herz brach beinahe bei dem Gedanken, dass das Baby ohne Wärme und Nähe seinem Schicksal überlassen worden war. Eine rasche Bewegung ließ mich zur Seite blicken. Es war das grau-weiß gescheckte Kätzchen. Zielstrebig huschte es durch mich hindurch und steuerte den Stall an. Schnell wie der Wind nahm ich seine Fährte auf.
    Es war dunkel im Stall, doch ich konnte sofort jede Einzelheit erkennen. Ein unbändiges Glücksgefühl durchströmte mich, als ich das Baby im Heu liegen sah - schlampig eingewickelt in schmut­zige Lumpen, aber lebend und mit klaren, schimmernden Perlen­augen.
    Direkt neben ihm stand ein struppiges, schweres Pony mit bors­tiger Mähne und dichten Haarbüscheln an

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