Spurlos
Sie!“, rief er. „Jetzt erinnere ich mich! Er bekam schon mal Besuch.“
Sie ließ den Türknauf wieder los.
„Von wem?“
„Von der Polizei.“ Er grinste.
Sie wollte gerade auf die Fernbedienung des Autoschlüssels drücken, als ihr eine Frage in den Kopf schoss – eine Frage, die sie nicht gestellt hatte. Sie steckte den Schlüssel wieder ein und eilte zurück ins Haus. Jake Hellman saß noch genauso da, wie sie ihn verlassen hatte. Er hob nur ein wenig den Kopf als sie eintrat.
„Haben Sie etwas vergessen, Tamara?“
„Woher hatte er die Bibel?“
„Sie war eines Tages plötzlich da. “
„Wer hat sie ihm gegeben ?“
Er antwortete nicht sofort . „Ich weiß es nicht. Er hat es mir nie gesagt.“
5
Bei brütender Hitze landete die Maschine auf dem kleinen Flughafen. Die schwüle Hitze nahm Shane den Atem als er aus dem kühlen Flugzeugbauch hinaus auf den flimmernden Asphalt trat. Costarelli holte ihn mit dem Wagen ab und fuhr in die City. Unterwegs berichtete Shane von Fraser Bowman, worauf Costarelli sofort die Suche nach Moa Salander und die Überprüfung des Porschekennzeichens anordnete.
„Was hältst du von Bowman?“, fragte Costarelli.
„Ich bin mir nicht sicher. Er hat zwei Gesichter.“ Shane sah die im gleißenden Mittagslicht liegenden Häuser vorbeigleiten und die üppigen grünen Bäume in den Vorgärten. Ein tropisches Paradies, könnte man glauben – wenn man nicht so genau hinsah.
Sie hatten die Innenstadt erreicht . Vor Woolworth saß eine Gruppe Aborigines im Schatten, volle Plastiktüten vor sich. Als ein Taxi herankam, standen sie auf und stiegen ein.
Costarelli parkte direkt vor dem Sushi-Restaurant neben einer Galerie.
Eiskalte Luft schlug ihnen entgegen, als sie durch die Glastür traten. Um halb zwei waren sie die einzigen Gäste, die Geschäftsleute aus den umliegenden Büros saßen längst wieder an ihren Schreibtischen.
„Valerie Tate war ganz sicher nicht die Frau, die zu jedem ins Auto stieg. Ich frage mich, wie der Mörder zu ihr Kontakt aufgenommen hat?“ Shane nahm ein Sushi vom Laufband. Zwei Shashimi mit eingelegtem Ingwer und grünem Wasabi.
„Entweder hat er sie gekannt, da wären wir wieder bei Fraser und bei unserem Porschebesitzer – oder aber er hat ihr was Besonderes versprochen.“
Costarelli schnappte sich etwas Frittiertes.
„Na ja.“ Er kaute. „Da müsste er aber schon was geboten haben. Und Valerie Tate war sicher nicht so leicht zu beeindrucken, wie wir wissen.“ Er suchte nach einem weiteren Leckerbissen auf dem Laufband, das unablässig seine Runden drehte. Sein Blick folgte einem tennisballgroßen frittierten Etwas, doch konnte er sich nicht entscheiden.
„Schmeckt’s?“ Der Mann der japanischen Besitzerin, Iannis, ein massiger , glatzköpfiger Grieche mit glänzendem, glattrasierten Gesicht baute sich vor ihnen auf.
„Prima, du bist der Größte!“ Costarelli griff diesmal rechtzeitig den frittierten Tennisball.
„Ich weiß, Tony! Ich wollte schon immer der Größte sein!“ Iannis klopfte sich auf den Bauch. „Sagt mal.....“ Er kam näher. Ein Fels oder eher ein großer Seelöwe mit glatter Haut und einer dicken Speckschicht darunter, dachte Shane. „Gibt’s was Neues in diesem Fall?“
Costarelli drehte si ch auf dem Hocker zu ihm herum, stocherte hinter vorgehaltener Hand in seinen Zähnen nach Essensresten, und sagte dann:
„Sie war öfter bei dir beim Essen , oder?“ Er warf den Zahnstocher zu den leeren Essensschalen.
„Klar.“ Der Seelöwe stemmt die Arme in die Seiten und wirkte noch mächtiger. „ Wo geht man hin, wenn man gutes Sushi haben will. Sie kommen alle, wie du weißt, die Anwälte.“
„Ist dir mal was aufgefallen? Gab es einen zudringlichen oder vielleicht auch netten Typen, der mit ihr …“
Iannis hob den Zeigefinger und bewegte ihn von einer Seite zur anderen.
„Sie war immer nur beruflich hier. Keine Verabredungen. Nichts Intimes.“ Er schüttelte den Kopf. „Wenn ihr mich fragt: Die hatte nur ihre Karriere im Kopf.“
Und den Fahrer des gelben Porsche, dachte Shane.
„Ich rede sonst nicht über meine Kunden“, fuhr Iannis fort, „aber Valerie Tate sah ziemlich gut aus, das wusste sie auch – und das hat sie so ziemlich jeden spüren lassen. Sie hat sich als was Besseres gefühlt.“ Er hob die runden, schweren Schultern und machte ein bedauerndes Gesicht. „Ich frag’ mich immer, warum so jemand so was nötig hat?“
„Das kann ich dir sagen, Iannis“,
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