St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau
dabei helfen, das Mieder aufzubinden. Doch er zögerte. Madeline sah so furchtbar erschöpft und unschuldig aus. Wenn St. Leger sie jetzt berührte, würde sie mit einem Schrei erwachen und die Lust in seinen Augen lesen ...
Anatole zog sich von dem Bett zurück. Wenn er schon so lange gewartet hatte, würde eine weitere Nacht ihm auch nichts mehr ausmachen.
Aber in diesem Zustand durfte er sie nicht zurücklassen. Sie drehte sich wieder und stöhnte leise. Ein Wunder, dass sie überhaupt atmen konnte. Er betrachtete kurz seine schweren Hände und dann die Bänder an dem Mieder. Seufzend richtete er den Blick auf das Korsett. Nie zuvor hatte Anatole seine Fähigkeiten an etwas so Delikatem ausprobiert. Die seidenen Schnüre wirkten hoffnungslos verknotet von Madelines vergeblichen Versuchen, sich aus dem Panzer zu befreien.
Der Burgherr atmete tief durch, da er seine Ungeduld kannte und die Bänder nicht einfach zerreißen wollte. Leise näherten sich seine Gedanken den Schnüren und bewegten sie langsam, lösten die Knoten, bis ihm der Schweiß auf der Stirn stand. Hinter seinen Schläfen pochte es, und als der letzte Knoten gelöst war, fühlte er sich am Ende seiner Kräfte.
Die junge Frau stieß einen leisen, langen Seufzer aus und drehte sich auf den Bauch. Sie trug nun nur noch ein dünnes Nachthemd, das unter seinen Anstrengungen verrutscht war und ein Stück von ihrer Schulter bloßgelegt hatte. Anatole konnte den Blick nicht abwenden. Und noch einmal drehte sie sich, zurück auf den Rücken. Sie streckte einen Arm aus, so als lüde sie ihren Liebsten ein, zu ihr zu kommen. Das Leinennachthemd war so dünn, dass er ihre perfekt geformten Brüste mit den rosigen Brustwarzen mehr als nur erahnen konnte. Anatole spürte, wie die Leidenschaft ihn erneut zu übermannen drohte. Er biss die Zähne zusammen, doch davon ließ die Lust sich nicht verscheuchen, und St. Leger wünschte sich, seine Braut zu lieben, wie er noch nie eine Frau geliebt hatte. Das Begehren wuchs wie ein Fieber in ihm und strömte eine Hitze aus, die selbst Madeline zu spüren schien, denn sie streckte sich und befeuchtete ihre Lippen. Taumelnd näherte Anatole sich dem Bett und schwor sich, sanft und zärtlich zu sein.
Er beugte sich über die junge Frau und wollte sie wie der Prinz im Märchen aus hundertjährigem Schlaf wecken. Doch sie regte sich wieder, und jetzt erkannte er, dass sie etwas in der anderen Hand hielt.
St. Leger erstarrte, als er das blaue Seidenband zwischen ihren Fingern sah. Dieser Anblick ernüchterte ihn mehr als das kalte Wasser vorhin. Warum hatte sie nur dieses verwünschte Porträt wieder an sich genommen? Und mehr noch, warum musste sie die Miniatur auch noch im Schlaf bei sich haben, so als handele es sich dabei um einen kostbaren Schatz?
Anatole betrachtete das Bildnis und erinnerte sich an die Verblendung seiner Jugend, als er sich unbedingt hatte porträtieren müssen, ohne dabei das Erbe seiner Familie und die dunklen Geheimnisse zu bedenken. Er richtete sich auf, und sein Blick fiel auf den Spiegel über dem Ankleidetisch. Eine finstere Gestalt bekam er dort zu sehen, ein Unhold mit wirren schwarzen Haaren, düster funkelnden Augen und auch den anderen Anzeichen, die ihn als wahren Sohn derer von St. Leger auswiesen. Seine Seele stieß einen Schrei aus. Anatole schaute noch einmal auf Madeline und begriff, was für ein Narr er doch mit fünfzehn Jahren gewesen war, als er das Bild angefertigt hatte. Und was für ein noch viel größerer Narr war er jetzt, da er sich einbildete, sie könne etwas für ihn empfinden, wo sie doch ihren Märchenprinzen längst gefunden hatte. Sollte sie ihre Träume ruhig behalten, sagte St. Leger sich, wenigstens für diese Nacht. Schon bald würde er sie ihr zerstören müssen. Anatole deckte Madeline wieder zu und verließ auf leisen Sohlen die Kammer. Erst als der Riegel wieder vorgeschoben wurde, erwachte die junge Frau für einen Moment. Ihre Lider flatterten, aber sie hielt am Schlaf fest und vor allem an dem Traum, der sich ihr bereits entzog.
So einen wunderschönen Traum hatte sie noch nie gehabt, sinnlich und schmerzlich zugleich. Anatole war in ihr Zimmer gekommen. Nicht dieser grobe Kerl, der sie so rau geküsst hatte, sondern der Anatole von der Miniatur. Warm und zärtlich hatte er ihr beim Entkleiden geholfen und die Bänder ihres Mieders mit unendlich viel Geduld gelöst. Sanft hatten sich seine Finger über ihren Rücken bewegt. Als sie die Arme nach ihm
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