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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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Sein Wort »Lässt keine antwort zu.. doch trifft wie blitz«. Er regiert gerecht, aber hart, hält seine Horden in Zucht, ist taub für Schmeichelein, tritt unwürdige Bittsteller in den Staub. Vieles gefällt auch den Priestern der alten Welt. Ganz besonders zeichnet sich der Neue durch einen klaren Kurs gegenüber den Frauen aus. Bevor eine Mutter ein Kind in die Welt setze, habe sie sich zu fragen, ob sie das Neugeborene auch ernähren könne; um Nahrung bettelnde Mütter bescheidet der Herr deshalb kühl: »Besser täte man dem weib / Das überm pflaster kreisst den wurf ersticken.« Sogar im Fall seiner eigenen Mutter erweist er sich als unerbittlich und schickt sie, weil er ihre Intrigen nicht dulden kann, ins Kloster – »im palast / Ist sie der herrschaft untergang«.
    Während die Priester sich so das eine und andere erzählen, ist ihre junge Fürstin in die Burg geeilt, den Herrscher um Gnade zu bitten – »vielleicht dass sie ihn rühre«. Doch der Herr bleibt hart, heftet »sein keusches klares / Barbaren-aug« auf sie und erinnert an seine Mission: »Was heut mich umbiegt wird mich morgen brechen.« Die Verschmähte scheidet daraufhin »mit ihren treuen mägden« aus dem Leben. An ihrem Vorbild wollen sich die Priester orientieren, aber noch bevor sie sich recht entscheiden können, hat der Tempel an allen vier Ecken schon Feuer gefangen. »Ein halbes tausend-jahr / Muss weiterrollen bis er neu erstehe.«
    Das Ganze erinnert stark an die überdimensionierte Historienmalerei à la Makart oder an die Dramen von Hebbel. Hier wie dort wird die literarisch vieldeutige Figur des Barbaren wachgerufen, der seit je
das Fremde, die andere Kultur, die Kulturlosigkeit oder, je nach Bedarf, die Zerstörung der eigenen Kultur von innen symbolisiert. Seit seiner Erfindung durch griechische Geschichtsschreiber »erlaubt es der Barbar, die Frage nach dem Stand der Zivilisation zu stellen«. 8 Markierte der Gegensatz zwischen Barbaren und Hellenen ursprünglich »die Trennlinie zwischen Kultur und Nichtkultur«, so diente »der pure Abkömmling der Natur« später, zumal in Krisensituationen, für die er besonders prädestiniert zu sein schien, zur Unterscheidung von echt und falsch: »Wir brauchen ihn nur zu zitieren, und die ganze Beredsamkeit der Natur tritt uns zur Seite … Der Barbar, das Barbarische sind Garanten der Poesie.« Kulturkritik lief immer auf die Forderung hinaus, das Leben müsse endlich wieder einfacher werden. »Seine Armut an Repräsentation macht den Barbaren daher nicht selten zur höchsten Autorität solcher Reformen.«
    Besondere Aufmerksamkeit verdient »Der Brand des Tempels« auch deshalb, weil das Bild des absoluten Gewaltherrschers Züge eines späten Selbstporträts trägt. Die entscheidenden Hinweise auf die autobiographische Anlage finden sich bei Ernst Morwitz. Auf seine Frage nach der Bedeutung einiger antikisierter Namen im »Brand des Tempels« habe ihm George geantwortet, die Namen hätten nicht viel zu bedeuten, sie stammten aus frühen dramatischen Versuchen. In Georges Kindheit und Jugend reicht auch die Figur der greisen Mutter, die laut Morwitz Ähnlichkeit hat mit der Mutter des Dichters. Als ihr die Verbannung ins Kloster droht, versucht die Mutter des Herrschers ihren Sohn noch umzustimmen, indem sie ihn daran erinnert, dass sie ihn als Kind oft vom Tal hinauf zur Höhe getragen habe, damit die Sonne ihn stark und glücklich mache. »Wir wissen, dass die Mutter des Dichters das gleiche mit ihm selbst tat.« 9
    »Wer unter mir nicht leben kann muss sterben«, solche Sätze aus dem »Brand des Tempels« hätten auch in den dramatischen Entwürfen aus Georges Schulzeit stehen können. Der Bühnenzauber, den er entfachte, als er im Schilfpalast am Ufer der Nahe saß und Geheimsprachen erfand oder in der Dachstube des elterlichen Hauses mit großer Gebärde König und erster Minister spielte, begeisterte ihn
noch immer. Er identifizierte sich so stark mit dem Hunnenfürsten, der alles in Brand stecken ließ, dass ihn beim Lesen seiner eigenen Verse »immer von neuem ein Grausen« überfiel. Herrscher war die Rolle seines Lebens, und George spielte sie mit großem Pathos: »Ich bin gesandt mit fackel und mit stahl / Dass ich euch härte.« Wer außer ihm hätte solches 1919 zu sagen gewagt? Was die Spielkameraden des Neunjährigen nicht hatten hinnehmen wollen, stieß vierzig Jahre später im Kreis der Freunde auf Akzeptanz.
    Mit dem »Brand des Tempels« gab George seiner

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