Sterne im Sand
egal, ob der Doktor da ist.«
»Ich komme mit«, sagte Doombies Mutter.
»Wartet auf mich«, rief Gabbidgee, denn ihm waren die Vorschriften eingefallen. Er rannte zu einer Ansammlung ausrangierter Teekisten. Sie enthielten ein seltsames Sammelsurium von Gegenständen, das die Leute aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen aufgehoben hatten: verrostete Töpfe und Pfannen, eine zerbrochene Teekanne, abgetragene Stiefel, Lederfetzen, Kinderwagenräder, leere Büchsen … Doch Gabbidgee wußte genau, wonach er suchte. Er wühlte in den Sachen und zog schließlich eine zerlumpte Hose heraus. Wenn er sich in die Nähe des großen Hauses begab, mußte er bekleidet sein.
Als er die Frauen eingeholt hatte, entdeckte er, daß sich noch andere der Gruppe angeschlossen hatten. Zügig schritten sie auf die Lichter des Herrenhauses zu.
Victor packte Minnie bei den Schultern und schüttelte sie. »Halt den Mund! Weißt du denn nicht, daß der Boß krank ist?«
Zum Glück befand sich Austins Flügel am anderen Ende des Hauses. »Was zum Teufel ist los mit dir?« schrie er. »Beruhige dich doch, du dummes Ding.«
»Wo mein Junge?« heulte Minnie. »Was ihr mit Bobbo gemacht?«
Nioka stand mit verschränkten Armen und zusammengepreßten Lippen in der Tür. Die Haltung erinnerte Victor an ihre Mutter. »Wo sind Kinder?« fauchte sie. »Wo ihr sie haben?«
»Du solltest dich auch beruhigen«, fuhr er sie an. »Und was soll die Versammlung da draußen? Sag ihnen, sie sollen verschwinden.«
Charlotte kam zurückgeeilt. »Austin schläft. Was ist los?«
»Ich glaube, irgendwelche Kinder sind verlorengegangen«, erklärte Victor. Er wandte sich an Minnie: »Hör auf zu heulen. Wir werden sie schon finden.« Schwarze Kinder gingen nicht einfach verloren. Er fragte sich, was sie wohl jetzt wieder angestellt hatten.
»Wo ist Teddy?« fragte er Louisa. »Ist er mit ihnen unterwegs?«
»Nein, er schläft oben. Ich glaube, ich weiß, warum sie sich so aufregen. Die Billings’ haben heute drei kleine Kinder mitgenommen, um sie in die Schule zu bringen.«
Minnie begann wieder zu stöhnen und zerrte an ihrer Schürze. Nioka fragte fassungslos: »Was sagen? Was?«
»Oh, mein Gott!« Charlotte trat vor. »Ihr geht zurück ins Speisezimmer; ich werde es den Mädchen erklären.«
»Was?« schnappte Nioka. »Was ihr verdammt getan mit unseren Kindern?«
»Das reicht, Nioka«, fuhr Victor wütend dazwischen. »Noch ein Wort, und du darfst dieses Haus nie wieder betreten.«
»Gib mir Jagga und mir verdammt egal!«
Victor bedeutete Louisa hineinzugehen. Tennant schloß sich ihr an. Dann drohte Victor Nioka mit dem Zeigefinger. »Benimm dich gefälligst!«
Charlotte griff ein. »Schon gut, Victor. Ich war so aufgeregt, daß ich die Abreise von Mr. und Mrs. Billings völlig vergessen hatte. Sie haben Bobbo, Jagga und Doombie in die Schule mitgenommen.«
»Was? Mit wessen Erlaubnis?«
»Mit Austins«, erwiderte sie streng. »Er hatte eine lange Unterredung mit Mr. Billings und war einverstanden. Er gab ihm auch eine beträchtliche Spende für den Unterhalt der Kinder mit.«
Heulend warf sich Minnie in Hannahs Arme, während Nioka mit offenem Mund in der Tür stand.
»Ihr denen unsere Kinder geben?«
»Hat es ihnen denn keiner erklärt?« fragte Victor zornig.
»Natürlich. Mr. Billings hat es sicher erklärt. Sie verstehen es bloß nicht. Das ganze Theater ist unnötig, für die Kinder wird gut gesorgt sein. Sie haben großes Glück gehabt.«
Victor sah Gabbidgee hinter Nioka auf der Veranda stehen, und ein Schauder überlief ihn.
»Da dürften allerdings einige Erklärungen vonnöten sein. Das hätte man aber auch anders handhaben können. Weshalb hast du es Billings überlassen? Er ist ein eiskalter Hund.«
»Fang jetzt nicht auch noch an«, stöhnte Charlotte. »Das halte ich nicht aus. Du weißt ganz genau, daß es dieses Bildungsprogramm für junge Schwarze bereits seit einiger Zeit gibt. Austin wußte, daß es zu ihrem Besten war, sonst hätte er es niemals zugelassen. Geh jetzt bitte mit ihnen hinaus und erkläre es ihnen richtig. Sie müssen lernen, es als gute Sache zu betrachten.«
»Na dann!«
Rupe hatte alles schweigend mit angehört. »Mir scheint, Billings hat ihnen kein Wort davon gesagt. Man hätte zumindest die Eltern um Erlaubnis fragen müssen.«
Doch Victor begriff, daß die Reaktion womöglich noch heftiger ausgefallen wäre, wenn man Nioka, Minnie und Gabbidgee gefragt hätte. Ihre Weigerung
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