Sternenfall: Roman (German Edition)
waren – gewaltige Risse, die von der Kollision herrührten, bei der sich der Krater gebildet hatte.
Der Krater im Zentrum war nicht der einzige dieser Art. Wie bei den meisten atmosphärelosen Himmelskörpern des Sonnensystems war die Oberfläche von miteinander überlappenden Kratern bis an die Grenze der Bildauflösung zernarbt. Auch rätselhafte dunkle, längliche Muster waren zu sehen, den vom Zentralkrater ausgehenden Rissen ähnlich, aber doch anders als sie. Als er das Foto aus der Nähe betrachtete, entdeckte Smith so etwas wie Schatten.
»Die sehen wie Gebirgszüge aus«, sagte er, indem er Warren auf die Gebilde hinwies.
»Das«, antwortete der Projektleiter, »sind Felsformationen. Wie wir erwartet haben, ist der ganze Kern eine Mischung aus Eis und Gestein im Verhältnis fünfundsiebzig zu fünfundzwanzig. Irgendein Mechanismus hat an zwei Stellen zur Ausbildung von Felsgraten geführt. Wie Sie schon sagten, eine Art Gebirge.«
Smith starrte weiter auf das Objekt, das in letzter Zeit eine solche Bedeutung in seinem Leben angenommen hatte. Andere Aufnahmen zeigten weitere Aspekte, einschließlich der dem großen Aufschlagkrater gegenüberliegenden Seite. Weitere Rissmuster bewiesen, dass die Kollision, die den Eisasteroiden in der Oort-Wolke aus seiner Bahn geworfen hatte, ihn beinahe auseinandergerissen hatte. Das ganze Innere schien nur aus Verwerfungen zu bestehen.
»Kann ich hiervon einen Satz haben, Clarence?«
»Wenn Sie dafür unterschreiben«, antwortete der Direktor. »Schon eine Idee, wie wir eine so große Masse aus dem Weg schaffen sollen?«
»Noch nicht«, sagte Smith. »Vielleicht fällt mir etwas ein, wenn ich die Fotos eine Weile studiert habe.«
»Irgendeinen Vorschlag, wo wir sie landen lassen sollen?«
»Aber klar«, sagte er. »Der Krater ist der logische Ort dafür.«
»Weshalb?«
»Ganz leicht. Er ist der Schlüssel zu der Struktur des Kerns. Wenn wir das Schloß öffnen wollen, dann müssen wir genau an dieser Stelle ansetzen.«
22
BERICHT NR. 165B
PHYSIKALISCHE PARAMETER DES KERNS
DES KOMETEN HASTINGS
… der Kern hat einen Äquatorialdurchmesser von 496 km und einen Poldurchmesser von 475 km, die Rotationsdauer beträgt 16 Stunden, 49 Minuten und 7 Sekunden. Seine Masse wurde auf 6,0212 x 1016 Tonnen berechnet. Die Oberflähengravitation beträgt zwischen 0,662 % g am Pol und 0,605 % g am Äquator.
Die hervorstechendste geologische Struktur ist das große Aufschlagbecken, genannt Ground-Zero -Krater (GZK). (Siehe Bericht Nr. 122D, ›Topografische Eigennamen auf dem Kern des Kometen Hastings‹.) Die innere Ringwand von GZK misst 125 km im Durchmesser und erhebt sich 0,7 km über das Niveau des Kraterbodens. Diese iedergefrorene Ebene ist typisch für die Kraterbildung auf überwiegend aus Eis bestehenden Himmelskörpern. Wie im Falle der Eismonde des Jupiter und des Saturn, weist der Boden von GZK eine scheinbare Ringstruktur auf, welche die verschiedenen Erstarrungsperioden im Oberflächeneis kennzeichnet. Hinter der Wand von GZK befinden sich wahrscheinlich eine Reihe von konzentrischen, an Risse erinnernde Verwerfungen, die auf den bei niedrigem Sonnenstand aufgenommenen Fotos als scharfrandige Schatten erscheinen. Spektrografische Analysen der aus diesen Brüchen austretenden Gase deuten darauf hin, dass im Kerninneren tatsächlich ein Erwärmungsprozess vonstatten geht. (Siehe Bericht Nr. 97A, ›Interne Erwärmung des Kerns aufgrund von Gezeitenspannungen während des Vorbeiflugs an Jupiter‹.)
Zu den anderen Makrostrukturen in der Topografie des Kerns zählen zwei Erhebungen aus Gesteinsmaterial. Diese wurden Kleine Alpen (KA) und Low Sierra Mountains (LSM) getauft. Die KA dominieren die westliche Hemisphäre (die GZK gegenüberliegende Halbkugel) und die LSM die östliche. Die KA-Verwerfung reicht 5 km in die Wand von GZK hinein. Bis jetzt gibt es keine ausreichende Erklärung für diese enge Nachbarschaft.
Die hohe Zahl der Krater entspricht der für Eismonde gültigen Norm. Die Verwitterung sämtlicher Krater tritt deutlich zu Tage und lässt sich auf das wiederholte Eintreten des Kerns ins mittlere Sonnensystem im Verlauf seiner Perihelpassagen auf seinem ursprünglichen Orbit zurückführen. Das Ausmaß des ›Abrutschens‹, das bei Kraterwänden zu beobachten ist, kann zur exakten Berechnung des Krateralters innerhalb ± eines Kometenumlaufs (± 9 Millionen Jahre) benutzt werden. Diese Berechnungen lassen darauf schließen, dass GZK der
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