Sternenfall: Roman (German Edition)
exportiertes Eis gefordert mit dem Argument, dass diejenigen, die Lunas natürliche Bodenschätze ausbeuteten, für dieses Privileg auch zahlen sollten. Das Argument war bei den Lunariern auf offene Ohren gestoßen. Verglichen mit der Mondoberfläche litt die Sahara an Überflutung. Kein Wunder also, dass die Mondbewohner dem Wasser starke Gefühle entgegenbrachten. Dass sie einen unbegrenzten Vorrat davon geradewegs über ihren Köpfen hängen sahen, änderte daran nichts. Und wenn die Vorräte der Erde auch wesentlich größer waren als die des Mondes, so ließ es ihre große Schwerkraft letztlich als wenig praktisch erscheinen, Wasser in den Orbit zu hochzuschaffen. Lunas geringe Schwerkraft hatte den Mond deshalb zum größten Eisexporteur im Sonnensystem gemacht.
Lunas Steuer hatte für alle, die in Raumstationen lebten, einen Schock bedeutet. Neben seinen üblichen Anwendungen war Wasser das Rohmaterial, aus dem mittels Elektrolyse Sauerstoff und Wasserstoff erzeugt wurden. Die Steuer hatte die jährlichen Kosten des Felsens für Verbrauchsgüter verdoppelt. Trotzdem nahm Thorpe den Lunariern nichts übel. Anders als die Bewohner der Erde wussten diejenigen, die außerhalb der Erdatmosphäre lebten, den Wert eines Kilo Eises zu schätzen.
Die Countdownanzeige arbeitete sich langsam gegen null vor. Währenddessen warnte Hobart Thorpe, sich zu vergewissern, dass er richtig angeschnallt war. Seine Warnung kam der des Piloten um einige Sekunden zuvor. Es folgte ein kurzer Moment der Erwartung, während die Mondoberfläche rasch an Größe gewann.
Als die Null auf der Anzeige erschien, wurden die magnetischen Felder umgeschaltet und einige wenige Nanogramm Antimaterie in die Schubkammer des Schiffes injiziert. Sie trafen auf einen kräftigen Wasserstrom. Die Antimaterie traf auf die gewöhnliche Materie und wurde in einer Explosion reiner Energie ausgelöscht. Die daraus resultierende Temperaturerhöhung verwandelte das Wasser augenblicklich in Plasma. Innerhalb von Millisekunden schlug eine abwärts gerichtete Flamme zwischen den riesigen gespreizten Landestützen der Fähre hervor, und ihr Abstieg begann sich zu verlangsamen.
»Mr. Thorpe?«
»Ja.«
»Ich bin Grandstaff, Repräsentant der Sierra Corporation hier auf Luna.«
»Hallo«, sagte Thorpe zu dem kleinen, glatzköpfigen Mann, der ihn hinter der Zollabfertigung erwartete. Unwillkürlich musste Tom daran denken, dass jemand mit Grandstaffs knorrigen Knien besser daran täte, wenn er keine Shorts tragen würde. »Ich nehme an, Sie haben von Smith Instruktionen bekommen.«
»Ja, Sir. Ich habe eine Vorbesprechung mit dem Rektor der Universität arrangiert. Er wird Sie morgen um vierzehn Uhr empfangen.«
»Und wann fahre ich zum Observatorium?«
»Ich habe Ihnen in vier Tagen eine Fahrt mit der Einschienenbahn reservieren lassen.«
»Warum erst dann?«
»Der letzte Abschnitt der Reise führt über Land. Die nächste planmäßige Fahrt zum Observatorium findet Anfang nächster Woche statt.«
»Vielleicht sollte ich ein Schiff chartern.«
»Oh, nein!« Grandstaff klärte ihn über die Probleme des Observatoriums mit der Luftverschmutzung und darüber auf, wie weit die Astronomen gingen, um ihre Teleskope zu schützen.
Thorpe seufzte. »Dann werde ich wohl warten müssen. Irgendwelche Vorschläge für die Besichtigung lokaler Sehenswürdigkeiten? Das ist mein erster Aufenthalt auf dem Mond, wissen Sie.«
»Nun, Sir«, erwiderte Grandstaff, »da gibt es die Tagesexkursion zum Friedensdenkmal. Die ist sehr beliebt. Dann sind da natürlich noch die Nachtclubs am Großen Verteiler. Oder, falls Sie ein Geschichtsfan sind, könnten Sie die Revolutionsstätten besuchen …«
»Das sollten Sie wirklich tun«, sagte jemand.
Thorpe und Grandstaff wandten sich zu dem hinter ihnen stehenden Hobart um. Der Parlamentarier hatte die Zollformalitäten in Sekunden erledigt gehabt, und Thorpe hatte gedacht, er wäre schon längst weg.
»Guten Tag, Bürger Hobart!«, rief Grandstaff enthusiastisch aus. Thorpe fragte sich, ob er sich nicht auch noch verneigen würde. »Darf ich Ihnen Thomas Thorpe vorstellen …«
»Wir haben uns bereits bekanntgemacht, Willy«, erwiderte Hobart. »Ich fürchte, ich habe Mr. Thorpe während des Anflugs mit meinem Schnarchen belästigt.«
»Sie haben kaum geschnarcht.«
»Da erzählt mir meine Frau aber immer etwas anderes. Was führt Sie nach Luna, Mr. Thorpe? Das Geschäft oder das Vergnügen?«
»Von beidem ein wenig.
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