Sternenzitadelle
Leben gewesen ist. Ich habe die schlimmsten Verbrechen begangen, derer ein Mensch fähig ist, aber all das tat ich nicht in meinem Namen, sondern im Namen meiner Vorgesetzten, der Offiziere. Begreifst du jetzt, wer ich in Wahrheit bin, wenn ich dir gestehe, dass ich ein ehemaliger Pritiv-Söldner bin?
Jetzt bedauerst du, mir zugehört zu haben, jetzt möchtest du dich in deine Wohnung flüchten, aber keine Tür und keine Mauer widersteht einem Pritiv-Söldner. Wenn wir in ein Haus eindrangen, hinterließen wir keine Spuren, schonten kein Leben. Wir schlitzten den Männern die Bäuche auf, wir vergewaltigten die Frauen, ehe wir die Kinder vor ihren Augen zerstückelten. Wir waren ebenso schrecklich wie diese Maske, die uns als Gesicht dient.
Aber weißt du, welche Tortur für einen Mann die schlimmste ist? Wie kannst du es wissen, denn du bist ein freier Mensch. Sich in die Reihen der Pritiv-Söldner einzuordnen bedeutete, sich mit gesenktem Kopf in eine Hölle zu stürzen, aus der es kein Entrinnen gab …
»Das Klagelied des Pritiv-Söldners«
Nationaltheater des Planeten Issigor,
Übersetzung von Messaodyne Jhû-Piet.
W hu Phan-Li wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Nahezu drei Tage marschierte er jetzt fast ununterbrochen. Der Gurt der Metallflasche schnitt schmerzhaft in seine Schulter. Das Doppelgestirn Marij-Hurij brannte unerbittlich auf den Sechsten Ring. Die ockerfarbene Scheibe Sbaraos bedeckte ein gutes Drittel des Firmaments. Die konzentrischen Linien der inneren und äußeren Ringe verschwammen in der Ferne, silbrig grau. Glücklicherweise hatte der Schwefelsturm nach sechs Tagen endlich aufgehört, sodass Whu seine Sauerstoffmaske nun nicht mehr aufsetzen musste.
Die zweihundert Kilometer zwischen dem Pïaï-Gebirge und der ehemaligen Rebellenbastion und dem jetzigen Hauptsitz von Jankl Nanuphas Organisation hatte er zu Fuß zurückgelegt, dank des Wassers und des Proviants, den die Himâ des Dorfs, Katiaj, ihm mitgegeben hatte.
Am charakteristischen Geräusch der mit atomarer Kraft betriebenen Lastwagen konnte Whu erkennen, dass der Capo Jankl während seiner – Whus – Abwesenheit weiterhin Kinder raubte, um sie gewinnträchtig zu verkaufen. Warum hätte er es nicht tun sollen?, dachte Whu, trotzdem enttäuscht. Nur weil ich, sein designierter Nachfolger verschwunden bin?
Whu blieb stehen und betrachtete die gezackte Linie der Krater am Horizont, die noch vor Kurzem Schwefelgas
ausgespien hatten. Vorübergehend hatten sie ihre Aktivität eingestellt; die Jahreszeit des Gelben Himmels war zu Ende. Vor ihm lag die von einer Schutzmauer umgebene Bastion, die sich an einen Hügel schmiegte. Er sah die Wachposten auf ihrem Rundgang. Die Lastwagen, die aus dem Areal herausfuhren, wirbelten mächtige Staubwolken auf der Piste auf.
Er betrachtete die Wagenkolonne in der flirrenden Hitze, die zu einem neuen Kinderraubzug zur Gzida-Ebene aufbrach. Vor nicht einmal einer Woche hatte der Capo ihm die Leitung eines solchen Raubzugs anvertraut, und obwohl er nun gezwungenermaßen an den Schauplatz seiner Missetaten zurückkehren musste, erschienen ihm die zwanzig Jahre, die er in Jankl Nanuphas Diensten gestanden hatte, bereits wie ferne Vergangenheit.
Whu hatte hierherkommen müssen, weil die einzigen Deremats, die nicht von den imperialen Autoritäten kontrolliert wurden, der Organisation gehörten.
Nachdem Katiaj die Schrotkugel aus seinem Bein entfernt und es mit einer Heilsalbe behandelt hatte, waren die Wunden schnell vernarbt. Schon am nächsten Tag hatte er wieder ohne Schmerzen gehen können. Doch seine Seele war nicht so schnell geheilt. Von Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen gequält, hatte sich Whu zuerst geweigert, Katiaj auch nur anzuhören, bis er schließlich, von der geistigen Auseinandersetzung mit der Himâ erschöpft, den Kampf aufgegeben, sich in die Meditation versenkt und in den See des Xui hinabgestiegen war. Dort hatte er die Wahrheit erkannt: An der Schlacht von Houhatte hatte er nicht teilgenommen, weil das Schicksal ihn dazu ausersehen hatte, die Fackel des Ordens der Absolution weiterzutragen und den Anbruch einer neuen Ära vorzubereiten.
Doch noch hatte er diese Erkenntnis nicht verinnerlicht. Erst Katiaj war es gelungen, Whu mit sich selbst zu versöhnen. Sie schenkte sich ihm und schenkte ihm somit außer ihrer Liebe Mitgefühl, Kraft und Weitblick. Während der Schwefelsturm tobte, hatten sie sich geliebt; drei Tage lang – bis Whu
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