Sterntaler: Thriller (German Edition)
So musste es gewesen sein. Rebecca war mit ihrem Tutor unzufrieden gewesen. Sicherlich hatte sie einen anderen konsultieren wollen.
So muss es gewesen sein.
Fredrika betrachtete die stummen Buchrücken in den Regalen. Spencers Bücher neben ihren eigenen. Jetzt da sie so vieles miteinander teilten, war das ganz natürlich.
Obwohl es Nacht war, war es nicht völlig dunkel im Raum. Das Licht der Straßenbeleuchtung draußen schenkte Fredrika das willkommene Gefühl, sich in einem belebten Raum, nicht in einem Vakuum zu befinden.
Es juckte sie in den Fingern, die Geige herauszuholen und zu spielen. Nur wenige Dinge gaben ihr ein so gutes Gefühl.
Es hatte einmal in den Sternen gestanden, dass Fredrika eine Karriere als Geigerin machen sollte, doch ein Unfall hatte alle derartigen Pläne zunichtegemacht. Ihre Mutter hatte angefangen zu weinen, als Fredrika viel, viel später berichtet hatte, dass sie das Geigenspiel wieder aufgenommen habe.
»Welch ein Geschenk für Saga«, hatte sie gesagt.
Fredrika war sich da nicht so sicher gewesen. Die Tochter zeigte nur ein geringes Interesse für Musik, sie war eine nur wenig inspirierte Zuhörerin. Vielleicht würde das anders werden, wenn sie älter war; dann würde sie vielleicht selbst ein Instrument spielen wollen.
Neid brannte in Fredrika auf, verschwand aber schnell wieder. Niemals würde sie Saga eine solche Freude missgönnen. Nur weil sie selbst gezwungen gewesen war, ihr Leben einer Arbeit zu widmen, die nur selten dem entsprach, was sie sich erwartet hatte, würde sie keine Bitterkeit empfinden, wenn ihre Tochter die Möglichkeit bekäme, ein anderes Leben zu leben.
Ein Leben, das ich lieber gehabt hätte, aber nicht bekam.
Wenn es überhaupt noch so war. Wollte sie wirklich ein anderes Leben? War sie nicht mit dem zufrieden, was sie hatte? Mit Spencer und mit Saga. Die Liebe zu den beiden hatte so vieles verändert, dass sie es gar nicht mehr aufzählen konnte. Und der Job? Der war nicht perfekt, aber es war schon besser geworden. Viel besser sogar.
Sie kauerte sich im Sessel zusammen und zog die Beine unter sich. Auf dem Tisch neben ihr lag der ausgeschaltete Laptop. Sie hatte das Gefühl, dass sie ihn nicht aufklappen sollte. Sie sollte nicht mitten in der Nacht arbeiten. Wenn sie sich das angewöhnte, würde sie nie mehr zur Nachtruhe finden. Doch die Neugier siegte, und sie zog sich den Computer auf den Schoß. Er schnurrte wie eine Katze, als der Ventilator ansprang.
Der Kollege war ihrem Wunsch nachgekommen und hatte ihr die Bilder von Rebecca Trolle gemailt. Sie klickte eines nach dem anderen an, verspürte Widerwillen darüber, dass sie mitten in der Nacht dasaß und sich Bilder der unbekleideten Rebecca ansah.
Was war ihr so bekannt vorgekommen, ohne dass sie es hätte einordnen können?
Sie sah die Bilder an, wieder und wieder, suchte nach dem Detail, das ihre Erinnerung angeregt hatte. Rebecca nackt, auf der Seite liegend, auf einem breiten Bett. Die Laken weiß um ihren Körper. Das Haar fiel ihr über die Wange, der Mund war halb offen. Welch ein Verrat, Nacktbilder von einem schlafenden Menschen zu machen!
Sie hatte einen Arm ausgestreckt, das eine Bein angewinkelt. Fredrika hatte auf der Website noch ganz andere Bilder gesehen und fand, Rebeccas Fotos passten überhaupt nicht dorthin. Sie waren einfach zu geschmackvoll. Zu diskret.
Und da war es.
Fredrika beugte sich zum Bildschirm hinunter und versuchte, das Detail heranzuzoomen, das sie entdeckt hatte. Eine einzelne gerahmte Fotografie an der ansonsten nackten Wand über dem Bett. Ein Gesicht füllte den Rahmen aus: ein junger Mann, der mit unverwandtem Blick in die Kamera starrte.
Als das Bild ausreichend vergrößert war, wusste Fredrika, wo sie den jungen Mann schon einmal gesehen hatte.
Zu Hause bei Daniella, der Exfreundin von Rebecca Trolle. Es war Daniellas toter Bruder.
Fredrika sah zurück auf die schlafende Rebecca. In ihrem Gesicht war keine Spur von Arg. Sie hatte sich in diesem Bett sicher gefühlt. Sicher genug, um nackt zu schlafen. Sie hatte nicht wissen können, dass sie heimlich fotografiert würde und dass die Bilder später im Internet landeten.
Daniella musste rasend vor Zorn gewesen sein, als Rebecca verschwand. Sie musste gefürchtet haben, im Stich gelassen worden zu sein.
Fredrika erwog kurz, Alex anzurufen, beschloss dann aber, dass das noch bis zum nächsten Tag warten konnte. Bestimmt schlief er schon. Es gab keinen Grund anzunehmen, dass dieser Fall
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