Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers (German Edition)
Spritzgussmaschinen, die Schaummodelle nach den Entwürfen auf den Monitoren herstellen. Dahinter liegt eine robotergesteuerte Spritzlackkammer, in der den Modellen ein reales Aussehen verpasst wird. Der Gesamtanblick wirkt spartanisch und industriell, mit einer grau-glänzenden Innenausstattung aus Metall. Die Bäume werfen von draußen bewegte Muster aus Licht und Schatten auf die getönten Scheiben. Man hört Jazz und Techno als Hintergrundmusik.
Praktisch jeden Tag, sofern Jobs gesund war und ins Büro kam, aß er mit Ive zu Mittag und schaute am Nachmittag dann im Studio vorbei. Wenn er hereinkam, hatte er sofort den Überblick über die Tische und sah das ganze Spektrum an Produkten, die gerade in Planung waren. Er konnte direkt erspüren, ob und wie sie in die Strategie von Apple hineinpassten. Er konnte mit seinen Fingern das in Entwicklung befindliche Design befühlen und begreifen. Normalerweise gingen die beiden immer allein herum. Die anderen Designer schauten nur kurz von ihrer Arbeit auf, hielten ansonsten aber respektvolle Distanz. Wenn Jobs ein spezielles Anliegen hatte, konnte es durchaus sein, dass er den Leiter des mechanischen Designs oder einen anderen Stellvertreter von Ive zu sich rief. Wenn er sich für etwas begeisterte oder einen Geistesblitz zur Unternehmensstrategie hatte, bat er auch gern einmal COO (Chief Operating Officer) Tim Cook oder Marketingleiter Phil Schiller, herüberzukommen und sich ihnen anzuschließen. Ive beschrieb den ganzen Ablauf so:
Dieser große Raum ist der einzige Ort in der ganzen Firma, wo man sich einfach nur umzuschauen braucht und alles sieht, was wir gerade in Arbeit haben. Wenn Steve hereinkommt, setzt er sich erst einmal an einen Tisch. Und wenn wir gerade zum Beispiel an einem neuen iPhone arbeiten, dann greift er sich einen Hocker und spielt mit den verschiedenen Modellen herum, wiegt sie in der Hand und äußert sich dazu, welches ihm am besten gefällt. Danach schauen wir noch an den anderen Tischen vorbei, nur er und ich, um zu sehen, in welche Richtung es mit den anderen Produkten weitergeht. Auf diese Weise bekommt er einen Eindruck vom gesamten Spektrum der Firma, vom iPhone, vom iPad, vom iMac und dem Laptop, von allem, worüber wir gerade nachdenken. So sieht er, wo die Firma ihre Energie investiert und wie die Dinge miteinander verbunden sind. Und es gibt ihm die Möglichkeit, Fragen zu stellen wie: ›Ist das hier wirklich sinnvoll, denn eigentlich wachsen wir in dem Bereich da drüben sehr stark?‹ Er kann hier die Dinge und ihr Verhältnis zueinander sehen. Und das ist etwas, was in einer großen Firma ziemlich schwer zu erreichen ist. Indem er die Modelle auf diesen Tischen betrachtet, sieht er drei Jahre in die Zukunft.
Ein großer Teil des gesamten Designprozesses besteht aus Gesprächen, aus dem Hin und Her beim Rundgang um die Tische und dem Spiel mit den Modellen. Er mag es nicht, komplexe Zeichnungen zu entziffern. Er möchte die Modelle sehen und anfassen können. Und da hat er recht. Es überrascht mich immer wieder, wenn wir ein Modell bauen und dann schließlich merken, dass es Müll ist, obwohl es als CAD-Rendering wirklich toll aussah.
Er kommt auch deshalb sehr gern hierher, weil es hier ruhig und gemächlich zugeht. Ein wahres Paradies für einen visuell orientierten Menschen. Es gibt keine formellen Entwurfsprüfungen und somit auch keine festen Zeitpunkte für wichtige Entscheidungen. Stattdessen treffen wir Entscheidungen aus dem Fließen heraus. Und weil wir das jeden Tag immer wieder tun und niemals blödsinnige Präsentationen veranstalten, entstehen bei uns auch keine größeren Meinungsverschiedenheiten.
An diesem Tag überwachte Ive die Entwicklung einer neuen europäischen Steckerverbindung für den Macintosh. Man hatte mehrere Dutzend Modelle, die jeweils nur in kleinsten Details voneinander abwichen, zur Prüfung hergestellt und lackiert. In den Augen manches Betrachters mag es vielleicht seltsam erscheinen, dass der Leiter einer Designabteilung sich über so etwas Gedanken macht, doch selbst Jobs war in die Sache involviert. Seit der Zeit, als Jobs ein spezielles Netzteil für den Apple II hatte bauen lassen, war für ihn nicht nur die Konstruktion, sondern auch das Design solcher Komponenten von Bedeutung. Er wurde namentlich erwähnt im Patent für das mobile Netzteil des MacBook ebenso wie in demjenigen für die magnetische Steckerverbindung, die mit einem zufriedenstellenden Klicken einrastet. Tatsächlich
Weitere Kostenlose Bücher