Stiller Tod: Thriller (German Edition)
Lautsprecher in das Mauerwerk eingelassen.
Sie drückt auf den Knopf, dessen Plastik sich klebrig anfühlt, weiß, dass sie irgendwo im Haus ein Summen ausgelöst hat. Sie blickt durch die Gitterstäbe und sieht Teile der neureichen Scheußlichkeit: leere Fenster, die sie mit Sonnenlicht beschießen, Terrassenmöbel, Palmen, die riesige Eichentür wie ein geschlossener Mund am oberen Ende der ausladenden Treppe. Nichts rührt sich.
Die Lautstärke, mit der die Stimmen plötzlich auf sie einschreien, fühlt sich für sie an wie ein Schlag in die Kniekehlen. Ihr knicken die Beine ein, und sie muss sich an den Gitterstäben des Tors festhalten, das Gesicht gegen das heiße Metall gepresst. Sie atmet. Flucht. Bettelt. Haut wieder auf diesen verdammten Knopf.
Statisches Knistern neben ihrem Ohr vertreibt den Stimmenchor. Eine geschlechtslose Stimme dringt aus dem Lautsprecher, ein blechernes Echo. »Ja, ja? Was ist?«
Caroline lässt den Knopf los und schiebt den Mund dicht an die Metallplatte. »Vlad?«
»Wer ist denn da?«
»Ich muss Vlad sprechen.«
»Mr. Stankovic ist nicht da.«
»Ich muss ihn sprechen.«
»Gehen Sie.«
Ein abweisendes Klacken und Stille.
Caroline nimmt ihre ganze Konzentration zusammen, um ihren widerspenstigen Finger auf den Knopf zu bringen. Als sie ihn schließlich drückt, weiß sie, dass sie ihn nicht wieder loslassen wird, bis jemand kommt.
Endlich schwingt die Tür auf, und eine helle Gestalt kommt heraus. Irgendwas huscht heran, Krallen kratzen auf Zement. Ein fragendes Winseln ertönt, und sie merkt, dass Sneg die Treppe herunter zum Tor gelaufen ist, versucht, Schnauze und Zunge durch die Stäbe zu zwängen. O Gott, er kennt mich, denkt sie. Er kennt mich.
Sie schiebt zwei Finger zwischen die Stäbe und spürt die heiße Schmirgelpapierzunge des Tiers auf der Haut.
»Sneg!« Auf den knappen Befehl hin schiebt sich der Schwanz des Wolfs zwischen die Hinterbeine. Er weicht zurück und schleicht wieder die Stufen hoch, hinter die langen Beine einer Frau, um Caroline von dort aus zu beobachten.
Die Frau ist jetzt auf halber Höhe der Treppe. Sie bleibt stehen. »Was wollen Sie von meinem Mann?«
Carolines Blick klärt sich, und sie sieht, dass die Frau nicht die plumpe Babuschka ist, die sie sich vorgestellt hat. Sie ist groß, elegant – mondän, das einzig passende Wort –, das glatte blonde Haar grau gesträhnt und zu einem lockeren Knoten gebunden. Sie trägt einen beigeweißen Hosenanzug, pedikürte Zehen ragen aus Designersandalen, die Nägel matt perlmuttfarben lackiert.
Ihre Stimme klingt samten, ähnlich wie Carolines, mit einem leichten osteuropäischen Einschlag. »Ich frage Sie nochmal: Was wollen Sie?«
»Ich muss ihn sprechen.«
»Wer sind Sie?«
»Caroline Exley.«
Ein Bellen ertönt, aber es ist zu höflich, um von Sneg zu kommen, und Caroline wird klar, dass die Frau gelacht hat. »Ach ja, seine jüngste Eroberung.« Eine Braue schnellt hoch. »Ein bisschen spießig, selbst für meinen Mann.«
»Wo ist er? Bitte.«
»Ach herrje, verschwinden Sie. Begreifen Sie denn nicht, dass er mit Ihnen fertig ist, Sie kleines Dummerchen? Denken Sie, Sie wären die Erste? Oder die Letzte?«
Die Frau wendet sich ab, blafft Sneg an.
Caroline umfasst die Torstäbe und rüttelt daran, aber das Tor ist zu schwer, um zu klappern. Sie hört einen wilden Schrei und merkt erst nach einem Moment, dass sie es war, die ihn ausgestoßen hat. Die Frau geht weiter zur Haustür.
Eine Hand packt Carolines Oberarm. Vlad. Gott sei Dank.
Sie schnellt herum, will ihn umarmen, aber es ist der Wachmann, khakigesichtig in seiner absurden Actionheldenmontur.
»Mrs. Exley«, sagt er. »Bitte, ich bring Sie nach Hause.«
Caroline ist einen Moment stumm vor Schock. Die Stimmen ebenso.
Der Sicherheitsmann verbeugt sich leicht in Richtung der Ehefrau, die auf der Treppe verharrt. »Mrs. Stankovic.«
»Officer.« Wie eine Baronin zu einem Leibeigenen.
Sneg fletscht die Zähne und knurrt Vernon an, das erste Mal, dass Caroline so ein Verhalten bei ihm sieht.
Ich hab recht!, schreit sie im Kopf, übertönt die Stimmen für einen kurzen Moment. Ich hab recht, was dieses Arschloch angeht. Aber sie hat die Gedanken ausgesprochen, sie hinausgebrüllt, und er packt ihren Arm fester. Sie spürt, wie seine Fingerspitzen ihr das bleiche Fleisch quetschen.
»Mrs. Exley, bitte.«
Sie reißt sich los. »Nimm deine Hände weg, du Scheißkerl!«
»Mrs. Exley.«
»Du verdammter Widerling. Du hast
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