Störgröße M
Kommandanten. An dir zu zweifeln hätte mir bedeutet, an mir selber zu zweifeln. Du warst ein Teil von mir. – Nein, ich war ein Teil von dir. Ohne dich fürchtete ich mich.« Ein vages Lächeln, das ihn selbst entschuldigen sollte, zog sich um seine Lippen. »Gib einmal zu, daß auch für dich Grenzen existieren. Alles wagen heißt immer zuviel wagen.«
In einem Ton wie berstendes Glas beendete Bender das Gespräch. »Manch einer bleibt sein Leben lang auf dem zweiten Platz;. Seine Sache. Dein Vorwurf fällt auf dich zurück. Alt genug, das zu begreifen, wärst du.«
Die Gesichter der anderen zuckten wie im Blitzstrahl auf und verloschen. Ohne ein Wort der Entgegnung widmete sich Laurenz seinen Aufgaben. Den Augenblick peinlichen Schweigens schluckte die vor Manövern übliche Betriebsamkeit.
Ein durchdringendes Signal beorderte die Besatzung auf die Stationen. Mit laschem Fingerdruck löschte Laurenz den bereits eingeleiteten Bremsvorgang. Scham und Wut nahmen ihm alle Kraft, überschwemmten ihn so hemmungslos mit Wehrlosigkeit, daß er einen Blick von Gendries, den er nicht zu deuten wußte, mit einer barschen Anweisung beantwortete. Im gleichen Augenblick tat es ihm leid. Aber das Eingeständnis vertiefte seine Unsicherheit noch weiter.
Ein Summen wie von einem Fliegenschwarm fraß an der Konzentration. Die Antriebsaggregate arbeiteten mit Höchstleistung. Doppelt besetzt, glich die Zentrale einem Hauptgefechtsstand. Gegenstand peinlich sorgfältiger Observation: der Hyperkreuzer der Transozeanischen Staaten, »Pandora«, geführt von einem unerbittlichen, wagehalsigen Kommandanten und seinem Team.
Langsam, kaum wahrnehmbar fürs menschliche Auge, schob sich im Raumsimultanmodell des Video-Kubus der Lichtpfeil des Verfolgers in das punktförmig rotleuchtende Zentrum, welches ihren eigenen Standort imitierte, heran. Die gemessene Energieabstrahlung des gegnerischen Raumschiffes war immens. Wie sie das fertigbrachten, konnte sich niemand vorstellen. Beide Kreuzer gehörten zu den modernsten Typen, die auf der Erde gebaut wurden. Nichts ließ vermuten, daß der anderen Seite die Entwicklung eines prinzipiell neuen Antriebssystems gelungen war. Woher nahmen sie die Energie?
Nach der Ablösung begab sich Laurenz in die Messe. Unkonzentriert nahm er eine Mahlzeit ein, blieb beim Kaffee sitzen. Er fühlte sich überwach. Die zermürbende Aufmerksamkeit der Wache wollte nicht abklingen. Er kannte das nicht an sich, nahm es jedoch, ohne weiter darüber nachzusinnen, achselzuckend hin. Mit der Sorge um die Koordination der Reparaturkolonnen waren die Stunden angefüllt gewesen. Mehrmals befand sich das Leitsystem in der Lage von Buridans Esel und brach entscheidungsunfähig zusammen. Bender hatte die Aufhebung aller Siegel und Sperren angeordnet. Dieser Belastung war eine Vielzahl der Aggregate nicht gewachsen. Straflos ließen sich die Sicherheitsgrenzen auf die Dauer nicht überschreiten. Den Rest seiner Aufmerksamkeit hatten die minütlich einlaufenden Standortmeldungen des Gegners erfordert. Denselben zu messen war eigens eine Arbeitsgruppe gebildet worden. Zwischen allem gelang es ihm sogar noch, den Kommandanten auf dem laufenden zu halten.
Bender hatte die Meldungen ohne ein Zeichen von Gemütsbewegung, auch ohne die gewohnte Vertraulichkeit entgegengenommen. Seine Anweisungen beschränkten sich auf das Notwendigste, gipfelten in der einzigen Forderung: Sieg. Es erschien Laurenz, als belasse er mit einem unsichtbar boshaften Gesichtsausdruck die konkreten Entscheidungen absichtlich in der Kompetenz seines Stellvertreters.
Als Ausgleich versuchte Laurenz an etwas Erfreuliches zu denken. Doch Bender drängte sich vor die Bilder von der Erde, vor die Erinnerung an schöne Nebensächlichkeiten. War das nicht ein anderer Bender, als den er zu kennen glaubte? Wie im Fluge wehte der Gedanke an ihm vorbei. Gendries tauchte in seiner Vorstellung auf. Er wurde gewahr, daß sie sich in den vergangenen vierundzwanzig Stunden nicht begegnet waren. Wieso erschien ihm das gerade jetzt auffällig? Mitunter hatten sie sich tagelang nicht getroffen. Die Gewißheit schließlich, ihr absichtlich ausgewichen zu sein, machte ihn betroffen. Er schob Bender die Schuld daran zu. Bender mit seinen ungerechtfertigten Anwürfen.
Der heiße Kaffee erstickte den Fluch, der ohnehin nur matt und aus halbem Herzen kam. Sich zurücklehnend, streckte er die Beine unter den Tisch. Es verlange ihn nach einem Halt. Seinem hageren, durchtrainierten
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