Stolz und Verfuehrung
sie stehen und war überrascht, Phyllidas Ehemann Lucifer Cynster ausgestreckt auf dem Sofa liegen zu sehen, während seine zwei Söhne über ihn hinwegkletterten.
Letzteres schien ihn überhaupt nicht zu stören. Trotzdem zügelte er seine Söhne so weit, dass er den Besuch mit einem Lächeln und einer halben Verbeugung begrüßen konnte. »Guten Morgen, Miss Beauregard. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, uns auf so vertrautem Fuße zu erwischen.«
Em lächelte immer noch. »Nein, ganz gewiss nicht.« Einer der Jungen strampelte sich frei, rannte über den Teppich zu ihr und ergriff ihre Hand.
»Ich bin Aidan.« Der Junge, etwa fünf Jahre alt, schüttelte heftig ihre Hand.
»Und ich bin Evan«, juchzte das zweite, jüngere Kerlchen, das immer noch vom Arm des Vaters umklammert wurde.
Ems Lächeln wurde breiter, als sie in die dunkelblauen Augen schaute, die verschmitzt und voller Lebenslust funkelten. »Ich bin sehr erfreut, deine Bekanntschaft zu machen, Aidan«, erwiderte sie und schaute quer durch den Raum. »Deine natürlich auch, Evan.«
»Jetzt wo ihr der Höflichkeit Genüge getan habt«, schlug Phyllida vor, »solltet ihr Miss Beauregard vielleicht gestatten, sich zu setzen.« Sie winkte Em an den Fensterplatz mit den vielen Kissen.
Em durchquerte das Wohnzimmer und setzte sich. Aidan begleitete sie, wartete mit ernster Miene, bis sie ihre Röcke geordnet hatte, und schwang sich dann neben sie. Sie war nicht überrascht, als Evan seinen Vater verließ, um sich ihnen ebenfalls anzuschließen. Der Junge kletterte zur anderen Seite und schob seine rundliche Hand in ihre.
Phyllida bemerkte es und wollte gerade ein Wort sagen, aber Em fing ihren Blick auf und schüttelte lächelnd den Kopf. »Es ist alles in Ordnung. Ich bin an Kinder gewöhnt.«
Sie hatte es stets bedauert, dass sie ihre Zwillingsschwestern nicht hatte sehen können, als sie in diesem Alter gewesen waren.
Lucifer Cynster lümmelte nicht länger auf dem Sofa, sondern hatte eine übliche sitzende Körperhaltung eingenommen. Em vermutete, dass er ungefähr Mitte dreißig war, ein großer, kräftiger Mann mit schwarzem Haar und dunkelblauen Augen, die er an seine Söhne vererbt hatte. Ihrer Meinung nach war er der zweitattraktivste Mann im Dorf, und wie Jonas Tallent umschwebte ihn die Aura einer wilden, unzivilisierten Männlichkeit.
»Phyllida erwähnte«, begann er, »dass Sie ein gewisses Interesse an der Geschichte des Dorfes hegen.«
Em nickte. »Es ist mir immer wichtig, die Geschichte des Dorfes zu kennen, dessen Gasthaus ich führe. Ganz besonders interessiere ich mich für die Architektur der vergangenen Zeiten. Es ist eine Art Liebhaberei. Es vertreibt mir die Zeit, und oft entdecke ich sehr nützliche Dinge.«
Die Bücher, die Em zurückgebracht hatte, hatte Phyllida auf dem niedrigen Tisch vor dem Sofa abgelegt. Lucifer streckte die Hand aus und drehte sie so um, dass er den Schriftzug auf dem Buchrücken lesen konnte. »Wir haben noch mehr Bücher über Colyton, informativere als diese hier. Ich werde sie Ihnen heraussuchen, bevor Sie uns wieder verlassen.« Er suchte ihren Blick und lächelte charmant. »Aber zuerst müssen Sie uns erzählen, wie Ihnen Colyton in der Gegenwart gefällt?«
»Es ist sehr angenehm.« Em ließ Evans Hand los, als der Junge Anstalten machte, von seinem Platz neben ihr auf den Fußboden zu rutschen. »Alle sind überaus freundlich. Es ist leicht, sich einzugewöhnen.«
»Nun, lassen Sie mich sagen, nach Juggs sind Sie und Ihre Familie die willkommene Erlösung.« Phyllida machte eine unbestimmte Handbewegung. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie schrecklich das Gasthaus geworden war. Nach dem Tod seiner Frau vor acht Jahren hatte Juggs jegliches Interesse an der Arbeit verloren. Aber außer dem Gasthaus kannte er nichts. Also ist er geblieben.«
»Wie angewurzelt.« Lucifer erzählte weiter. »Noch nicht einmal die verlockendste Aussicht auf eine neue Umgebung und neue Unternehmungen konnten den Lebensfunken in seiner Brust wieder anfachen. Glauben Sie mir, wir haben es nach Kräften versucht. Sein Tod kam zu früh, aber dennoch war es eine Erleichterung für ihn. Und es war der Beginn eines neuen Lebens für das Gasthaus und das Dorf.« Sein freundliches Lächeln wärmte Em das Herz. »Weshalb wir alle so angenehm überrascht sind, auf welche Art Sie dem Haus neues Leben eingehaucht haben.«
»Es war ein großes Glück, dass wir Hilda und ihre Mädchen für uns gewinnen konnten«,
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