Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
Haustür fehlt mir.«
Wieder ein sekundenlanges Zögern. Ich war drauf und d ran, die Tür selbst aufzuknacken, aber die Frau unterbrach mein Vorhaben. »Ich verstehe, treten Sie ein. Man kann heutzutage nicht vorsichtig genug sein.«
» Da haben Sie recht«, erwiderte ich zähneknirschend. In meinem Kopf kursierten weitaus unflätigere Worte. Ich möchte diese Ausdrücke lieber nicht wiederholen, da Kinder die wüsten Beschimpfungen in den falschen Hals bekommen könnten. Mir rutschen ohnehin schon genug vulgäre Ausdrücke heraus. Halten Sie Ihre Sprösslinge von meinen Gedanken fern! Ach, wissen Sie was? Vergessen Sie das wieder! Die Kinder von heute schnappen sowieso die schlimmsten Schimpfwörter in der Schule auf.
Ich konnte vor einigen Wochen auf dem Heimweg von einem Einkauf ein Gespräch zweier pubertärer Jungen belauschen. Wie die über ihre Lehrerin herzogen, da konnte selbst ich noch etwas über Gossenpoesie lernen. Das gab mir zu denken. Doch das nur am Rande.
Ein Summen ertönte ; die Tür zu Hannas Grab sprang auf. Ich dachte damals zumindest, dass mein Auftrag so gut wie erledigt wäre. Inzwischen wissen Sie ja, dass ich mit der These meilenweit daneben lag. Ich schlüpfte in das Haus und sog die modrig feuchte Luft des Altbaus ein. Die Wände des Hauses waren mannshoch mit dunklem Holz verkleidet, ehe sich eine gelbliche Tapete anschloss, die ihre besten Tage längst hinter sich gebracht hatte. Ich erklomm die knarzenden Stufen aus abgewetztem Holz und eilte in die zweite Etage hinauf. Wenn die Klingelschilder wie die Wohnungen angeordnet waren, musste Hanna in diesem Stockwerk zu finden sein. Das Treppenhaus zweigte nach links in einen länglichen Gang ab.
Ich glitt geräuschlos über den Flur und roch abgestanden Zigarettenqualm. Meine Gier nach Nikotin wurde augenblicklich geweckt. In dem Haus wohnten einige Raucher, die öfters mal ihre vier Wände für diverse Alltäglichkeiten verließen. Ich riss mich am Riemen und entzog meiner Sucht ihr Stimmrecht. Wenn das Mädchen zum letzten Mal ausgeatmet hätte, könnte ich gemütlich eine Kippe qualmen, nicht jetzt.
Ich ging mit scharfem Blick an den Wohnungstüren vorbei und stoppte am dritten Eingang ab. Dort lebte mein Opfer ; Hanna Cramme, Studentin, vierundzwanzig Jahre alt. Sie schaute vielleicht gerade in die Glotze und ahnte nichts Böses.
Ich holte meine Waffe aus der Innentasche meiner Jacke und zückte dazu den Schalldämpfer aus meiner linken Hosentasche. Geschickt schraubte ich den Aufsatz an. Die todbringende Pistole verschwand hinter meinem Rücken. Ich klopfte mit links an die Tür. Poch, poch, poch. Drei dringliche Schläge.
Aus Hannas Wohnung drang kein Laut an meine Ohren. Schlief sie? War sie nicht zu Hause? Ich hämmerte erneut gegen das Holz. Eine Chance wollte ich ihr noch einräumen, ihren Todesengel bewusst zu empfangen. Aber es geschah wieder nichts. In diesem Fall konnte man nur zwei Dinge tun. Entweder man trat den Rückzug an und probierte es später noch einmal oder man verschaffte sich illegal Zugang zu der Wohnung. Ich hatte es schon zu weit geschafft, wollte nicht umkehren und entschied mich für die zweite Option. Wenn Hanna nicht zu Hause war, könnte ich mir doch wenigstens interessante Informationen über sie beschaffen, dachte ich mir. Vielleicht könnte ich ihr sogar auflauern. Ich war naiv, auch in meinem fortgeschrittenen Alter. Die ausgefallene Verschleierung des Auftraggebers und das hohe Kopfgeld hätten mich vor dem Mädchen warnen sollen. Doch ich unterschätzte die junge Studentin, damals vor einer Woche und heute erneut.
Wahrscheinlich denken Sie jetzt, dass ich deshalb auch den Tod verdient habe. Ein Mann, der nicht aus seinen Fehlern lernt, soll te die Konsequenzen für seine Dummheit tragen. Ganz meine Meinung. Aber dann könnte ich nicht Hannas Geschichte erzählen. Sehen Sie es von der positiven Seite, und lassen Sie sich unterhalten!
Nach kurzem Ringen entschloss ich mich dazu, einzubrechen. Ja, auch das sollte man als Profikiller beherrschen. Diese Fähigkeit war mir bereits in vielen Situationen nützlich, auch wenn ich damit nicht zwingend mein Geld verdienen wollte. Ein Beispiel: Vor Jahren öffnete mir ein männliches Opfer nicht, weil der Kerl länger auf dem Klo saß und Rätselhefte löste. Ich nutzte sein zeitraubendes Hobby aus, um die Tür zu knacken und ihn auf dem Pott beim Scheißen zu erschießen. Er brachte sein Geschäft sogar zu Ende, bevor er seitlich von der
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