Sturmtief
ein junger Mann,
der auf ihn zukam, bevor Lüder ausgestiegen war.
»Herr Dr. Lüders?«, fragte er, und als Lüder nickte,
führte er ihn in das nüchtern wirkende Verwaltungsgebäude zum Büro Dr.
Bringschultes.
»Sie haben uns gefunden?«, fragte der Leiter des
Forschungsprogramms.
»Sie haben sich gut versteckt«, erwiderte Lüder.
Die beiden Männer lachten. Dr. Bringschulte war
annähernd so groß wie Lüder. Er hatte volles Haar, das in Wellen über seinen
Ohren lag und sich auch im Nacken zu einem dichten Knust bündelte. Die dunkle,
viereckige Hornbrille verlieh ihm auf den ersten Blick ein strenges Aussehen,
doch wenn er lächelte und dabei zwei Reihen weißer Zähne zeigte, wirkte er
zugänglich. Die markanten Gesichtszüge, die insgesamt gepflegte Erscheinung und
die dezente Bekleidung ließen Dr. Bringschulte sympathisch wirken. In
Verbindung mit der wohlklingenden Stimme war er der Typ des Womanizers, obwohl
er einen Ehering trug. Während er Lüder mit einem festen Händedruck begrüßte,
stellte er sich noch einmal vor. »Hans-Wilhelm Bringschulte.«
Im Unterschied zu ihm wirkten die beiden anderen
Anwesenden zurückhaltend, fast unnahbar. Der asiatisch aussehende Mann von
unbestimmbarem Alter war korrekt mit einem dunklen Anzug bekleidet. Dazu trug
er ein weißes Hemd und eine dezent gemusterte Krawatte. Lüder hatte das Problem
vieler Europäer, auf den ersten Blick nicht die Nationalität des Mannes feststellen
zu können. Chinesen, Koreaner und Japaner wiesen für das europäische Auge oft
große Ähnlichkeiten auf.
»Lee Sung Hyesan«, stellte Dr. Bringschulte vor.
Der Mann mit den schmalen Augen verneigte sich leicht,
vermied es aber, Lüder die Hand zu reichen.
»Das ist Dr. Medhi Ahwaz-Asmari«, stellte Dr.
Bringschulte den zweiten Mann vor, der eine in Goldrand gefasste Brille trug.
Der Mann hatte eine leicht getönte Hautfarbe und gelockte schwarze Haare. Aus
dunklen, fast schwarzen Augen musterte er Lüder und nickte dabei freundlich.
»Ich habe die beiden Herren dazugebeten«, erklärte Dr.
Bringschulte. »Sie sind langjährige Mitarbeiter unseres Instituts und können
vielleicht an den Stellen behilflich sein, an denen mich mein Gedächtnis
verlässt.« Dann zeigte er auf die Sitzgruppe in seinem Büro.
Lee Sung Hyesan und Dr. Ahwaz-Asmari warteten, bis
Lüder und Dr. Bringschulte Platz genommen hatten. Erst dann setzten sie sich.
Es wirkte fast synchron, wie die beiden Männer sich in den schlichten
Sitzmöbeln niederließen.
Lüder dankte für das Angebot, Kaffee oder etwas
anderes aufzutischen.
»Ich untersuche die Hintergründe des Mordes an Robert
Havenstein.«
Dr. Bringschulte nickte zustimmend. »Der Journalist,
der vorgestern ermordet wurde«, sagte er. Lüder korrigierte ihn nicht. Es waren
inzwischen drei Tage vergangen, seit Havenstein erschossen worden war.
Der Asiate, Lüder vermutete, dass Lee Sung Hyesan
Koreaner war, verzog keine Miene, während Dr. Ahwaz-Asmari fast mit einem
Ausdruck des Bedauerns nickte.
»Hat Robert Havenstein Sie aufgesucht?«, fragte Lüder
und sah nacheinander die drei Männer an.
»Nein«, erwiderte Dr. Bringschulte mit einer
Verzögerung, die genau so angemessen war, dass sie nicht als voreilig
angenommen werden konnte. Dann sah er seine beiden Kollegen fragend an.
Dr. Ahwaz-Asmari schüttelte den Kopf, während der
mutmaßliche Koreaner völlig unbeweglich dem Gespräch lauschte.
»Kann es sein, dass Robert Havenstein mit anderen
Mitarbeitern der GKSS gesprochen
hat?«
»Möglich«, sagte Dr. Bringschulte. »Hier arbeiten ein
paar hundert Menschen. »Wissen Sie, um was es ging? Das würde den Kreis
potenzieller Gesprächspartner einschränken.«
»Das möchte ich gern wissen«, gestand Lüder ein.
»Deshalb bin ich hier.«
»Moment.« Dr. Bringschulte stand auf, ging zu seinem Schreibtisch
und führte zwei Telefongespräche.
Lüder nutzte die Zeit, um die beiden Mitarbeiter
anzusprechen. »Darf ich fragen, woher Sie kommen?«
Dr. Ahwaz-Asmari nickte freundlich. »Iran«, sagte er
mit sanfter Stimme. Überhaupt schien von diesem Mann nur Sanftmut auszugehen.
»Korea«, erwiderte Lee Sung Hyesan. Dann hatte Lüder
mit seiner Vermutung recht gehabt.
Dr. Bringschulte hatte seine Telefonate beendet. »Es
tut mir leid«, sagte er, »aber Herr Havenstein war nicht bei uns im Hause.
Weder die Pressestelle noch jemand anders hat mit ihm gesprochen.«
»Das ist sicher?«
Der Bereichsleiter nickte.
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