Sturmtief
Eisenberg. Das war unfreundlich
von Ihnen, mich gestern in dem Café sitzen zu lassen«, beschwerte sich der
Israeli. »Wenn Sie wirklich Polizist sind, können Sie mir Auskünfte über den
Aufenthaltsort meiner Frau geben. Das Beste wird sein, Sie rufen mich zurück.«
Lüder war versucht, den Anruf sofort zu tätigen. Dann
nahm er aber doch davon Abstand. Er wollte Dov Eisenberg am Telefon nicht
belügen, wenn der nach seiner Frau fragen würde. Er hätte dem Mann die
Nachricht von der Ermordung seiner Frau gern persönlich überbracht. Doch
zunächst galt es, die soeben vom Wehrführer erhaltenen Informationen zu
vertiefen. Es würde schwierig sein.
Lüder rief in der Kieler Bezirkskriminalinspektion an.
Vollmers war gleich am Apparat.
»Ich benötige die Anschrift von Dr. Hans-Wilhelm
Bringschulte. Der muss irgendwo im Umkreis um Geesthacht herum wohnen. Das kann
auch drüben in Niedersachsen sein.«
Der Hauptkommissar brauchte keine fünf Minuten. »Ich
habe nur einen gefunden. Der wohnt in Aumühle am Tannenweg.«
Der Sachsenwald ist das größte geschlossene Waldgebiet
Schleswig-Holsteins. Er war ursprünglich ein Geschenk Kaiser Wilhelms I. an
Otto von Bismarck. Viele Leute behaupten, die kleine Gemeinde Aumühle im Herzen
des Waldes sei der reizvollste Ort. Sicher hatte dazu auch Bismarck
beigetragen, der sich im Ortsteil Friedrichsruh niedergelassen hatte und dort
auch seine letzte Ruhestätte fand. Das galt auch für den Großadmiral Karl
Dönitz, den legendären Befehlshaber der deutschen U-Boot-Flotte im Zweiten
Weltkrieg, der als Nachfolger Hitlers der letzte Reichskanzler war und in
Flensburg mit der Kapitulation ein unseliges Kapitel deutscher Geschichte
abgeschlossen hat.
Wer in Aumühle wohnte, »hatte es geschafft«, wie der
Volksmund es nannte. Das Ortsbild wurde überwiegend von repräsentativen
Einfamilienhäusern auf großzügig bemessenen Waldgrundstücken bestimmt.
Der Tannenweg war eine Sackgasse unweit des Bahnhofs,
an dem die S-Bahn nach Hamburg Aumühles Bürgern eine zügige Verbindung in die
Weltstadt bot. Dabei passierte die Bahn auch Bergedorf West, wo Lüder die
unliebsame Begegnung mit den Jugendlichen auszustehen hatte und Branko Mirkovic
wohnte. Härter konnten die Kontraste nicht aufeinanderprallen.
Lüder parkte vor dem Architektenhaus und wunderte sich
über die Größe des Anwesens. Dr. Bringschulte musste zu den sehr gut
verdienenden Wissenschaftlern gehören, wenn er sich ein solches Heim leisten
konnte. Lüder durchschritt den gepflegten Vorgarten und klingelte. Dabei beobachtete
er die Kamera neben der Haustür, die Besucher in Augenschein nahm. Doch das
Objektiv bewegte sich ebenso wenig, wie sich etwas im Haus rührte. Lüder
versuchte es ein weiteres Mal. Aber es blieb ruhig. Stattdessen erschien ein
Mann am Gartenzaun. Er trug eine karierte Hose, wie man sie oft bei Golfern
antrifft, und hatte einen Gent-Pullover lässig über die Schulter gelegt. An der
kurzen Leine hielt er eine deutsche Dogge, deren Halten ihm Kraft abforderte.
»Wo wollen Sie hin?«, fragte er. »Kann ich Ihnen
helfen?«
»Ich möchte zu Dr. Bringschulte.«
»Sie sehen doch. Da ist keiner.« Es klang
ausgesprochen unfreundlich.
Lüder unterließ es, darauf einzugehen. Es war sicher
positiv, wenn aufmerksame Nachbarn untereinander auf die Häuser achteten.
»Wann darf ich ihn zurückerwarten?«
Auch hier reagierte der Mann richtig, indem er keine
Auskunft gab. »Sie sollten es mit Dr. Bringschulte selbst abmachen«, erklärte
er ausweichend.
Lüder überwand die natürliche Scheu vor dem großen
Hund und trat von der Innenseite an den Gartenzaun. Er zeigte dem Mann seinen
Dienstausweis.
»Polizei?«, fragte der erstaunt. Als Lüder darauf
nicht einging, bequemte sich der Nachbar doch zu einer Auskunft.
»Bringschultes sind sicher zum Golfen gefahren.«
Lüder amüsierte sich. Der Mann hatte es wie »Gölfen«
ausgesprochen. Es klang eine Spur affektiert.
»Meistens bleiben sie übers Wochenende«, ergänzte der
Nachbar.
So lange wollte Lüder nicht warten. Er rief noch
einmal in Kiel an. »Können Sie mir die Adressen von Lee Sung Hyesan und Dr. Medhi
Ahwaz-Asmari beschaffen?«
»Wir sind doch kein Telefondienst«, knurrte Vollmers
ungehalten und fragte noch einmal nach der Schreibweise. Diesmal dauerte es
etwas länger. »Lee Sung Hyesan habe ich keinen gefunden. Der andere wohnt in
Lüneburg.« Er nannte Lüder die genaue Adresse.
Das GPS -System
leitete Lüder an
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