Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
wieder, einem im Weg zu stehen.«
In mir flackerte eine Riesenwut auf, die mir den Mut verlieh, mit einer Hand loszulassen und nach meiner Pistole zu greifen. Die Frau versuchte immer noch, auf die Füße zu kommen. Sie war also abgelenkt. Aber ich konnte es nicht.
Gerade als meine Finger den Abzug wieder losließen und nach einem Stück Dachziegel griffen, ertönte unten ein lauter Knall. Beinahe wäre ich vom Dach gefallen. Ein Blitz durchschnitt den Himmel, und genau in dem Moment zerfetzte eine Kugel den Brustkorb meiner Widersacherin. Doch wessen Kugel?
Voller Schrecken und unfähig etwas zu tun, sah ich zu, wie die Frau aufs Dach sank, hinunterrollte und mit einem Klatschen auf dem Boden aufprallte. Von unten hörte ich Rufe und Sirenen. Ich drehte mich um, so dass ich mit dem Rücken auf dem Dach lag, und versuchte mich aufwärts zu schieben. Dabei fielen mir die Pläne des Hotels wieder ein. Über mir, wo das Dach flacher wurde, befand sich eine Zugangstür.
Als ich oben ankam und mich aufzurichten versuchte, machte ich den Fehler, nach unten zu blicken. Mein Magen vollführte einen Flickflack, mir wurde schwindelig, und schon lag ich wieder auf dem Rücken. Schwer atmend versuchte ich, meine Angst zu bezwingen. Ich war mir ziemlich sicher, dass die CIA keine Leute mit Höhenangst nahm.
Dann hörte ich eine Tür aufspringen und Stimmen.
»Sagen Sie mir endlich, was mit ihm passiert ist!«, rief Holly. »Kann er zurückkommen, wenn er … verschwunden ist?«
Ich seufzte erleichtert. Es ging ihr gut. Aber mit wem sprach sie da? Noch wollte ich keine Aufmerksamkeit auf mich lenken, nicht, bevor ich wusste, dass es sicher war.
»Ich habe das Gefühl, dass wir das sehr bald herausfinden werden – jetzt, wo du hier bist«, sagte eine andere Stimme.
Eine sehr vertraute Stimme. Eine, die ich am allerschlimmsten Tag meines Lebens gehört hatte. Ich musste sein Gesicht sehen … der andere Mann aus Hollys Wohnheimzimmer.
Vorsichtig richtete ich mich auf und zwang mich, himmelwärts zu blicken statt nach unten.
Der Mann hatte Holly gegen einen Pfeiler gedrückt. Es war derselbe Mann, der am 30. Oktober 2009 auf sie geschossen hatte. Es ist noch gar nicht passiert , machte ich mir mühevoll bewusst.
»Jackson, genau dich habe ich gesucht«, sagte er. »Ich bin mir nicht sicher, ob wir einander schon offiziell vorgestellt worden sind. Ich bin Thomas.«
»Thomas!«, brachte ich hervor. Natürlich war es Thomas. Der Feind der Zeit, der das hier immer wieder aufs Neue tun konnte, bis der Kampf endlich genau so endete, wie er es wollte. Vielleicht sollte ich ihm sofort geben, was er wollte, damit er es nicht noch ein weiteres Mal versuchte. Ich brauchte nur so zu tun, als wäre ich auf seiner Seite.
Ganz einfach, nicht wahr?
Ich konnte Holly nicht ansehen, sonst wäre ich von meinem Plan abgewichen und hätte alles vermasselt. Aber ich spürte, wie ihre Blicke mich förmlich durchbohrten.
»War das Rena, die da gerade vom Dach geflogen ist?«, fragte Thomas beiläufig.
»Äh … wer? Die blonde Frau?«
»Ja, dann war sie es.« Er wandte sich mir zu. »Ich bin nicht hier, um dir was zu tun, Jackson. Das war nie meine Absicht. Wir würden auch deinen Vater liebend gern in Ruhe lassen, wenn er nicht so viele von uns umgebracht hätte.«
Ich atmete tief ein und versuchte mich zu beruhigen. Dad lässt sich nicht unterkriegen. Er kommt immer lebend raus , sagte ich mir im Stillen. »Was willst du von mir, Thomas?«
Er lehnte sich näher zu mir hin, hielt Holly aber weiter fest. Mir fiel auf, dass es rein äußerlich Parallelen zwischen ihm und mir gab. Er war vielleicht fünfzehn Jahre älter, doch trotzdem sahen wir uns ähnlich. »Ich will nur, dass du meine Version hörst. Du bist von anderen beeinflusst worden. Anderen, die nicht wie du sind – die uns nicht verstehen. Ich möchte, dass du erkennst, was du haben könntest. Das perfekte Leben. Wir haben versucht, dich allein zu treffen, aber wie es scheint, müssen wir dazu das Leben dieses Mädchens bedrohen. Denk nur daran, dass du erst entdeckt hast, wozu du imstande bist, als sie erschossen wurde. Ein enormer Fortschritt!«
Ich spürte, wie mein Gesicht bei seiner Anspielung auf das, was Holly zugestoßen war, vor Zorn rot anlief. Aber der andere Typ, Raymond, hatte gesagt, es sei ein Fehler gewesen. Hatte er das ernst gemeint?
»Wovon redet dieser Mann?«, fragte Holly.
Thomas sah sie an. »Nur von der Zukunft, meine Liebe, nichts worüber du
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