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Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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um Mitternacht.« Es schien unnötig hinzuzufügen, dass sie dies eher aus ihrem Reiseführer wusste denn aus eigener Erfahrung.
    Er nickte langsam. »Wie schade«, sagte er. »Dann werde ich etwas anderes finden müssen, um meine Zeit auszufüllen.«
    Sein Akzent war nicht so vornehm wie ihrer. Jetzt hörte sie es heraus – ein verborgener, leicht robuster Tonfall, der bei seiner Aussprache der Vokale anklang. Aus irgendeinem Grund machte ihr diese Erkenntnis Mut. »Ich habe eine sehr hübsche Gesangsstimme«, sagte sie. »Leider kenne ich keinen Text, der zu dieser Art von Musik passen würde.«
    »Oh?« Der Engländer wandte sich gerade weit genug ab, um dem französischen Mädchen seinen Rücken zuzuwenden. Dieses offensichtliche Zeichen veranlasste sie, die Arme vor der Brust zu verschränken, sich dann umzudrehen und davonzugehen. »Gestatten Sie, dass ich mich vorzustelle«, sagte der Blonde höflich. »Ich bin Rollo Barrington, aus Manchester.«
    »Weit entfernt von Zuhause«, sagte sie leichthin.
    »Was nur umso besser ist«, entgegnete er und sah sie an. »Ich weiß nicht, ob Sie jemals in Manchester gewesen sind, aber ich sage immer, dass
Flucht
das einzige Substantiv ist, das korrekt beschreibt, wie es sich anfühlt, von dort abzureisen.«
    Sie lachte. »Und wie nennt man dann die Abreise aus Paris?«
    »Strafe«, erklärte er mit einem Lächeln. »Mademoiselle – darf ich einen kühnen Vorschlag machen? Sicherlich ist es die Umgebung, die mich dazu ermutigt.«
    Durch die offen stehenden Flügeltüren zum Ballsaal erspähte sie Alex, der sich gerade seinen Rückweg durch die Menge bahnte. Ihr Herz stolperte, dann schlug es schneller. »Sie können es mit Kühnheit versuchen, Sir. Ich verspreche aber nicht, Sie darin zu bestärken.«
    Er hatte ein gewinnendes Lachen, es wirkte unbeschwert und frei von Bosheit. »Dann werde ich meinen Mut zusammennehmen und fragen, ob Sie mir die Ehre erweisen, Sie zu betrachten, wenn Sie ein Glas Champagner trinken.«
    Gwen zögerte. Alex erwartete, sie genau dort vorzufinden, wo er sie zurückgelassen hatte. Natürlich erwartete er das. Gehorsame Hündchen liefen schließlich nicht davon.
    Erneut kochte Wut in ihr hoch. Sie fühlte sich stärker, und sie empfand einen heftigeren Schwindel als nach dem Bier, das sie getrunken hatte.
    Dann setzte sie ein Lächeln auf. »Vermutlich werden Sie mich tatsächlich Champagner trinken sehen. Aber ich stelle zwei Bedingungen.«
    Mr Barrington zog eine Augenbraue hoch. »Ich hoffe, ich kann sie erfüllen.«
    »Oh, meine Bedingungen sind sehr einfach«, beruhigte sie ihn. Erstaunlich, welche Wirkung ihr Lächeln jetzt hatte! Der Gentleman beugte sich zu ihr herüber, sein Benehmen war aufmerksam und zugewandt. Sie spürte einen weiteren verwirrenden Ansturm von Wärme – von Befriedigung; von Macht; vielleicht auch von Erleichterung. Alex würde lernen müssen, dass er sie nicht so gut kannte, wie er glaubte. »Erstens müssen Sie mir die gleiche Ehre gewähren, denn Champagner sollte man nie allein trinken. Und zweitens müssen Sie versprechen, dass wir trinken werden, um einen Erfolg zu feiern.«
    Er lachte. »Und welcher Erfolg könnte das sein, wenn ich fragen darf?«
    »Dass Sie mich erfolgreich in den Elefanten hineingeschmuggelt haben.«
    Ein Bestechungsgeld von fünf Francs stellte den Burschen zufrieden, der am Bauch des Elefanten Wache stand. Gwen ging voran. Die kurze eiserne Treppenflucht führte zu einer Plattform, die mit Teppichen ausgelegt war und von bläulich brennenden Gaslampen beleuchtet wurde. In der Mitte der Fläche stand ein zweisitziges Kanapee aus rotem Samt. Exotische Seidenstoffe in Schattierungen von Scharlachrot, Blaugrün und Safrangelb, verziert mit Silberstickereien und Fransen aus goldfarbenen Münzen, schmückten die Wände. Am Ende der Plattform stand ein hoher Wandschirm aus aufwendig geschnitztem Holz, hinter dem sich der Rest des Raumes verbarg. Von irgendwo hinter diesem Paravent erklang der rhythmische Klang von Glocken.
    »Vorsicht«, rief Mr Barrington. »Die Bodenbretter sind recht uneben.« Seine behandschuhte Hand schloss sich um ihren Ellbogen, was ihr Herz ein wenig zusammenzucken ließ.
    Allein im Dunkeln mit einem Fremden: Dies war gewiss ein richtiges Abenteuer. Gwen löste sich von Mr Barringtons Griff und ging weiter, aber nur, um die Lampen zu betrachten, die an den Wänden hingen: raffinierte Messingleuchter, deren Glasflächen eine Einlegearbeit aus Rechtecken darstellten,

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