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Autoren: Monica Kristensen
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Schlüssel der Kindergartenleiterin hatte er immer noch in der Tasche.
    Silbermond, Stahlmond. Wie ein Messer, ein funkelnder Krummsäbel, hoch oben an den Nachthimmel gehängt. Das Mondlicht polierte die schneebedeckte Landschaft und ließ ihn die Kälte noch intensiver spüren. Es knirschte selbst bei den vorsichtigsten Schritten, und das Geräusch wurde in der ruhigen Luft weit getragen, über offene Plätze und entlang menschenleerer Straßen. Es war kurz vor drei Uhr nachts. Knut hatte irgendwo gelesen, dass das die gefährlichste Stunde war, sowohl für den Jäger als auch für den Gejagten. Die Stunde, in der das Raubtier nach der Jagd einer langen Nacht ermattet war und das Beutetier erschöpft davon, sich wach halten zu müssen, auf der Hut vor lauernden Gefahren.
    Der Kindergarten lag in tiefen Schatten, doch das Mondlicht funkelte, erleuchtete erschreckend weiß den Spielplatz. Spuren von Kinderschuhen, von den Kufen eines Schlittens, von Spiel und Bolzen waren wie Runen auf der Schneefläche abzulesen. Aber unmöglich zu entziffern. Knut ging zur Eingangstür und schloss auf. Wie schon früher an diesem Tag hatte er das Gefühl, an diesem Ort, der so beruhigend nach Puder und Kinderseife, nach Obst, Vanillekeks, Milch und Kakao roch, ein unerwünschter Fremder zu sein. Jetzt war dieses Gefühl noch stärker.
    Er ließ die Deckenlampe ausgeschaltet, blieb im Dunkel stehen und schaute den Flur entlang. Das Licht der Straßenlaternen entlang dem Hilmar Rekstens vei sickerte durch die dünnen Gardinen und zeichnete Streifen aus Licht und Schatten auf die Wände. Eine andere Wand lag im Schatten, er konnte vor ihr jedoch einige Kisten und einen einzelnen Bürostuhl erkennen. Er blieb stehen und lauschte. Kein einziges Geräusch. Warum schaltete er die Deckenleuchte nicht ein? Was suchte er hier eigentlich?
    Ihm kam in den Sinn, dass sie wie selbstverständlich davon ausgegangen waren, dass keine der Angestellten des Kindergartens etwas mit Ellas Verschwinden zu tun hatte. Sie hatten nicht einen Gedanken in dieser Richtung gehabt. Aber jetzt kam Knut diese Möglichkeit in den Kopf. Er versuchte sich Zusammenhänge vorzustellen, Handlungsmuster.
    War das wirklich eine Option? Nein, er schob den Gedanken schließlich wieder beiseite. Trotzdem war dadurch eine Art Angst näher an ihn herangekrochen, hatte sich wie ein struppiges Tier da draußen in der Dunkelheit hinter den geschlossenen Türen herangeschlichen. Ohne Vorwarnung war Knut von einer Erinnerung aus seiner eigenen Kindheit überrascht worden, die er bisher vergessen gehabt hatte. Plötzlich hörte er ein Geräusch. Eine Art vorsichtiges Zischen. Fast wie das unterdrückte Atmen von jemandem, der nicht entdeckt werden wollte.
    Da war doch ein Geräusch? Schritte, fast lautlos, über den Flur. Ein Schatten vor einer Wand. Er irrte sich nicht. Jemand war hier im Kindergarten und bewegte sich vorsichtig auf ihn zu. Er schaute sich verzweifelt um. Das Gewehr lag draußen auf dem Schneescooter. Nicht in seinen schlimmsten Träumen hätte er sich vorstellen können, dass er in einem Kindergarten eine Waffe brauchte.
    Etwas huschte vorsichtig über den Boden. Bald würde die Gestalt hinter der halb geöffneten Tür zum Vorschein kommen. Sein Blick suchte verzweifelt die Wände ab. Hinter der Tür vor ihm hing ein selbstgestrickter bunter Schal. Er bewegte sich, so vorsichtig er konnte, nahm den Schal an sich. Dann warf er den Schal der dunklen Gestalt um den Hals, die unvermittelt in der Türöffnung zum Vorschein kam. Drückte so fest zu, wie er konnte. Aber die Gestalt war stärker als gedacht. Und größer. Beide Männer wankten in der Dunkelheit hin und her. Knut schlug mit dem Ellbogen gegen die Wand und hätte fast losgelassen. Aber er kämpfte unverdrossen.
    Einer von ihnen musste gegen den Lichtschalter gekommen sein. Plötzlich lag der Flur im Licht der Deckenlampe da. Knut ließ den Schal fallen.
    »Tom? Was zum Teufel machst du hier?«
    Der Polizist hustete und schnappte nach Luft. »Knut? Ich kann dich ja wohl das Gleiche fragen. Was treibst du denn hier? Willst du mich mit einem Kinderschal erwürgen?«
    Sie starrten sich gegenseitig ungläubig an. Tom Andreassen rieb sich die roten Striemen an seinem Hals. »Na, so kann man auch zu einer Beförderung kommen! Den umbringen, der mehr Dienstjahre auf dem Buckel hat.« Beide mussten lachen.
    »Aber im Ernst, was wolltest du denn hier? Verfolgst du eine bestimmte Idee?«
    »Nein, eigentlich nicht.

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