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Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Titel: Süden und die Frau mit dem harten Kleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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nicht mehr bei uns«, sagte der Dürre und stieß mit der Zunge die Zigarette von den Lippen. Der Boden war übersät von Kippen .
    »Ist er rausgeflogen?«, fragte ich .
    Jetzt fing auch noch »In-A-Gadda-Da-Vida« an .
    »Ist einfach nicht mehr aufgetaucht, der Hanse«, sagte der Dürre. Er klemmte die Bierflasche unter den Arm, zog ein zerknülltes Päckchen Tabak aus der Hose und rollte sich eine Zigarette, ungerührt, auch wenn er ständig angerempelt wurde. Am Ende brachte er ein dünnes verbogenes Ding zustande, von dem ich fürchtete, es würde sofort vollständig in Flammen aufgehen, wenn er es anzündete.
    »Und wo ist er jetzt?«, fragte ich .
    »Daheim, oder?«, sagte der Dürre .
    »Da ist er nicht, ich war ein paar Mal dort.«
    »Soll ich euch ein Bier mitbringen?«, fragte der Zopf .
    Er sollte. Nach den drei Gläsern Aquavit bei Andrea Langer hatte ich Durst auf Bier, und je mehr ich trank, desto eindringlicher standen mir die Begegnung mit dem Mann am See vor Augen und die Monde danach. Von diesem Schauspiel, das spürte ich an den Rändern meines wachsenden Rausches, würde ich noch lange zehren .
    »Wo könnte der Hanse sein?«, fragte ich.
    »Vielleicht bei seinem Baum«, meinte der Dürre .
    »Was für ein Baum?«, fragte der Zopf.
    »Der hat einen Baum im Nymphenburger Park, da geht er immer hin.«
    »Und was macht er da?«, fragte der Zopf, der, wenn er nicht trank, seinen rechten Zeigefinger in den Flaschenhals steckte und die Flasche an seinem Arm baumeln ließ.
    »Weiß ich doch nicht!«, schrie der Dürre. »Ich hab ihn nicht gefragt, er hats mir von sich aus erzählt. Wahrscheinlich malt er da, er ist ja Maler, also Künstler …«
    »Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«, fragte ich .
    »Ist übern Monat her«, sagte der Dürre. »Mindestens übern Monat. Oder? Oder, Karre?«
    Karre, der Zopf, zuckte mit den Achseln, zog den Finger aus der Flasche und trank sie aus .
    »Ich hol noch eins«, sagte er.
    Später holte ich Nachschub. »In-A-Gadda-Da-Vida«, schien mir, lief immer noch, Stunde um Stunde. Inzwischen hatten wir uns alle drei vorgestellt: Karre, Rudi, Tabor. Immer mehr Gäste kamen herein, und nur die wenigsten kehrten aus Platzmangel wieder um. Wie ich diese Enge aushielt, war mir ein Rätsel. In meinem Kopf herrschte ein Jahrmarkt aus Stimmen: Mathilda Ross, Hanne Farak, Dr. Posch, Andrea Langer, Rudi, Karre, Leute um mich herum, Dr. Sick, der Polizeipsychologe, der ebenfalls plötzlich zu hören war wie ein Gespenst.
    »Alles klar so weit?«, rief Rudi.
    Ich hob den Kopf. Und das Mädchen drehte ihren von mir weg. Für eine Sekunde hatten sich unsere Blicke gekreuzt, und wir erkannten uns beide .
    Ich schob Karre zur Seite …
    »He, spinnst du?«, schrie er .
    … und boxte mich mit den Ellbogen durchs Gedränge.
    Dabei verlor ich das Mädchen aus den Augen, dann erkannte ich ihren halb rasierten Kopf in einer Gruppe Jugendlicher, die die Tür belagerten. Mehrere Flaschen streiften meinen Hinterkopf, manche Gäste kapierten erst nach komplizierten Verrenkungen meiner Hände, dass ich vorbeiwollte, und die Jugendlichen an der Tür fanden es total spaßig, mich mit Sprüchen wie »Heim zu Omi?« zuzutexten, bevor sie mich durchließen .
    Auf der Straße bekam ich erst einmal einen Hustenanfall .
    Vornübergebeugt torkelte ich über den Bürgersteig und spuckte auf den Boden. Das Mädchen war nirgends zu sehen. Ich ging bis zur U-Bahnstation, kniff die Augen zusammen und stierte durch die Gegend .
    »Das war Liane«, sagte ich zu Rudi, nachdem es mir gelungen war, den Körperdschungel in der Kneipe erneut zu durchqueren, ohne erschlagen oder von Zigarettenglut verstümmelt zu werden.
    »Genau. Liane. Genau«, sagte Rudi. »Ich glaub, die haben was miteinander, der Hanse und die.«
    »Die ist doch noch minderjährig«, sagte Karre .
    »Ja und?«, sagte Rudi.
    Endlich schrubbten Status Quo ihre Gitarren, und ich brauchte dringend ein frisches Bier. Ich angelte drei Flaschen am Tresen.
    »Wie heißt die Liane mit Familiennamen?«, fragte ich .
    »Keine Ahnung«, sagte Rudi. »Bist dun Bulle?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Hätt ich nicht gedacht«, sagte Karre .
    »Na ja«, sagte Rudi. Seine Freundschaft zu mir schien mit jedem Riff von Status Quo weniger zu werden. »Spionierst du hier rum?«
    Ich sagte: »Ich such Johann Farak. Seine Schwester hat ihn als vermisst gemeldet.«
    »Der hat doch gar keine Schwester!«, sagte Rudi .
    »Er hat eine, ich hab mit ihr gesprochen.«
    »Und was

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