Süßer der Punsch nie tötet
›Ice Cube‹ gibt? Hm …
5. DEZEMBE R
»Dante Wischnewski hier.«
Verschlafen drückte Katinka das Handy an ihr
Ohr. »Sie wissen noch, wer ich bin?« »Ein übereifriger Volontär bei der Zeitung.«
Katinka setzte sich im Bett auf. Es war halb acht, draußen klebte Nebel vor den Fenstern. Der Himmel hätte um Mitternacht nicht dunkler sein können.
Dante lachte . »Ich habe gestern ein bisschen recherchiert. « »Ich auch. Ice Cube und Söhne. « »Den meine ich nicht. Die Coburger Polize i
hat den Lichterkettenfritzen gefilzt. Er hat da eine
Palette Glühweingewürz in seiner Garage.« »Aber das besteht nicht aus Nikotin, oder?« »Nein. Und aus Mutterkorn auch nicht.« Woher weiß er das mit dem Mutterkorn?, wun
derte sich Katinka. Das ging doch noch gar nicht an die Presse.
»Jedenfalls«, beeilte sich Dante, und Katinka hörte im Hintergrund hektische Stimmen, »fanden sie erhöhte Mengen an Chemikalien, Pestiziden und– Lackresten! Die Gewürze werden irgendwo in Bul garien oder so auf lackierten Rosten getrocknet und nehmen die Substanzen aus den Lacken auf.«
»In gesundheitsgefährdenden Mengen?«, fragte Katinka, während sie aus dem Bett stieg und in die Küche tappte.
»Es ist genug Gift drin, um das Zeug aus dem Verkehr zu ziehen. Aber so direkt dran sterben würde man erst mal nicht.«
»Woher haben Sie das?«
»Ich habe vor, demnächst Medizin zu studieren.« Dante räusperte sich. »Bin sozusagen angehender Wissenschaftsjournalist. Der Fränkische Tag ist nur eine Zwischenstation.«
»Auf dem steilen Weg nach oben. Trotzdem danke für den Tipp. Und halten Sie sich mit Glühwein zurück.«
»Von dem Zeug kriegt man sowieso den Glimmer!«
Sie legten auf. Katinka trank zwei Tassen Milchkaffee, zog sich an und stieg in ihren Beetle. Sie hatte nichts Besonderes zu tun, und eine Fahrt nach Coburg wäre eine willkommene Abwechslung vom üblichen Standard.
Der Weihnachtsjunkie saß in seiner Garage auf seinem Berg und blickte trübsinnig vor sich hin.
»Sie auch schon wieder?«, begrüßte er Katinka.
»Allmählich habe ich genug von kriminalisieren
den Besuchern.«
»Guten Morgen, Herr …«
»Bergmann. Helmut Bergmann.«
»Herr Bergmann. Da haben Sie ja ganz schön …«
»… tief ins Klo gelangt. Woher soll ich denn wissen, dass mein Glühweingewürz mit Lack verseucht ist! Ich beziehe das seit Jahren. Da hat nie einer auch nur ein Stäubchen beanstandet. Möchten Sie einen Chai?«
Katinka sagte »ja«, weil ein kleines Entgegenkommen bei Getränken oft den Redeschwall des Gegenübers beschleunigte. »Wo kaufen Sie denn Ihre Gewürze?«
»Die bestelle ich schon seit 1996 über Claudius.« Bergmann setzte seinen Wasserkocher in Betrieb und gab drei Löffel ockerbraunes Pulver in einen Becher.
»Wie?« Katinka wurde hellhörig. »Claudius Gefell?«
»Klar, kennen Sie ihn?«
Katinka nickte und dachte an das Chili, das sie gestern Abend großzügig in ihre Suppe gestreut hatte.
»Ist ein alter Kumpel von mir. Er hat auf dem Coburger Weihnachtsmarkt einen Stand und …«
»Moment. In Coburg auch?« Sie dachte an die geduckte Bude in der Bamberger Innenstadt.
»Claudius ist ein cleverer Geschäftsmann. Big Business in Gewürzen. Ist in ganz Franken präsent. Glauben Sie, dass er von der Kocherei leben kann?« Das Wasser brodelte, und Bergmann übergoss Katinkas Chai.
»Wahrscheinlich nicht.«
»Eben.« Er schäumte Milch in einer Stempelkanne auf. »Daher die Gewürze.«
»Haben Sie das auch der Polizei erzählt?«
»Ich fürchte, die nehmen Claudius die Bude auseinander. Und die Studenten auch, die sich für ihn den Arsch abfrieren.«
Katinka fuhr in die Innenstadt und sah sich auf dem Weihnachtsmarkt um. Überall dasselbe: Lichter und Kerzen und Trallala, Holzspielzeug, Lametta, Pyramidenkerzen. Sie hatte nicht viel für diesen süßlichen Adventsverschnitt übrig. Ein Stand war verschlossen. Auf das rot-weiße Band hatte die Polizei verzichtet. Gefells Weihnachtsbude war ja kein Tatort.
Katinka fuhr nach Hause, steckte ihr Chilipäckchen in eine Plastiktüte und wollte das Haus wieder verlassen, als ihr ein Gedanke kam. Sie schaltete ihren Laptop ein und gab ›Gewürze‹ und ›Clau dius Gefell‹ als Suchbegriffe ein. Sekunden später blinkte die Zeile ›Claudius Gefell – Hot Spicy Business‹ auf ihrem Bildschirm.
»Hätte mich auch gewundert, wenn er sich das Internetgeschäft entgehen ließe«, murmelte sie, fuhr das Gerät herunter und machte sich auf
Weitere Kostenlose Bücher