Supermom schlägt zurück - Mallery, S: Supermom schlägt zurück
nichts. Ständig muss ich an diesen Jungen denken, an Cody. Ich kann ihn nicht retten.“
Linda ging zu ihm und ging vor ihm in die Hocke. „Das weißt du doch nicht. Du wirst jetzt nicht aufgeben! Du wirst die Versuche noch einmal durchgehen und dir anschauen, was du daran ändern kannst, was du besser machen kannst.“
Sie ist so schön, dachte er, als er in ihre blauen Augen blickte. Absolutes Vertrauen strahlte ihm entgegen.
„Mir fällt nichts mehr ein“, gestand er ihr.
„Blödsinn! Du darfst nicht aufgeben! Das haben wir doch alles schon einmal durchgemacht.“
Er nickte langsam. „Ich werde nicht aufgeben. Ich werde niemals aufgeben. Ich weiß, dass es Zeit braucht, aber die Last dieses kleinen Jungen trage ich ständig mit mir herum. Ich muss ihn retten. Ich habe versprochen, es zu versuchen. Aber wird das reichen? Die Zeit arbeitet gegen mich.“
„Gegen Cody auch.“
Ihre Hand lag auf seinem Oberschenkel. Er nahm sie in seine Hände und betrachtete ihre langen Finger, die lackierten Nägel. Hellrosa, dachte er. Eigentlich eine lächerliche Farbe. Aber zu ihr passte sie perfekt.
„Sie sprechen mich jetzt an“, erzählte er ihr. „Die Leuteim Ort. Sie reden mit mir. Ich weiß, es ist das Laboratorium. Die Jobs, die Möglichkeiten. Wenn ich versage, werde ich alle enttäuschen.“
Linda zog ihre Hand zurück und stand auf. „Erstens wirst du nicht versagen. Ich weigere mich, das zu glauben. Zweitens haben die Leute schon immer mit dir gesprochen. Früher ist dir das nur nie aufgefallen. Damals warst du viel zu sehr damit beschäftigt, dir selbst leidzutun.“
Auch Abram stand nun auf und schaute sie an. „Ist es das, was du von mir glaubst?“
„Jetzt nicht mehr.“
„Aber früher?“
Achselzuckend erwiderte sie: „Du warst trübsinnig.“
„Und warum bist du dann geblieben?“
„Wohin hätte ich sonst gehen sollen?“
Beinahe zwanzig Jahre lang war sie nun bei ihm, und er war sich nicht sicher, ob er sie bis auf diese letzten paar Monate jemals wirklich wahrgenommen hatte. Ein Gefühl brach sich in ihm Bahn – fremd und beängstigend. Er wollte sie an sich ziehen und festhalten, wie um sie nie wieder loszulassen. Er wollte sie bitten, zu bleiben. Er wollte, dass sie ihm noch einmal versicherte, wie sehr sie an ihn glaubte, denn ihr Glaube hatte Macht.
„Verlass mich nicht“, sagte er mit einer Stimme, die tief und heiser klang. Gleichzeitig ballte er die Hände zu Fäusten, um sich daran zu hindern, sie einfach an sich zu reißen. „Bitte, verlass mich nicht.“
Linda lächelte. „Abram, ich habe dich bisher nicht verlassen. Warum sollte ich es jetzt tun?“
Die Kehle schnürte sich ihm zusammen. „Du bist viel zu gut zu mir.“
„Das ist schon richtig. Du schätzt mich nicht genug. Immer der zerstreute Wissenschaftler, der nur an seine Arbeit denkt.“
„Nicht immer“, versicherte er ihr und legte ihr leicht eine Hand an die Wange. „Ich war nie für dich da. Nicht so, wie ich es hätte sein sollen. Für mich warst du eine Selbstverständlichkeit. Schon tausend Mal hattest du Grund zu gehen. Niemand hätte dir daraus einen Vorwurf gemacht.“
„Wohin hätte ich gehen sollen?“, fragte sie noch einmal.
Nie war ihm aufgefallen, in welcher Dunkelheit er gelebt hatte, bis plötzlich ein Licht erschienen war. „Meine Exfrau hat sich immer darüber beklagt, dass ich meine Arbeit mehr liebe als sie. Dass mir gar nicht auffallen würde, wenn sie nicht mehr da wäre. Sie hatte recht. Bei dir ist es etwas anderes. Ohne dich kann ich nicht überleben. Ich bin ein egoistischer Mann, der sich in seiner Arbeit verliert. Du hast keinen Grund, mich zu mögen. Das akzeptiere ich. Aber ich liebe dich, Linda! Vielleicht habe ich das immer getan.“
Er zog seine Hand weg. „Warum sage ich dir das ausgerechnet heute? Wo ich versagt habe? Ich bin ein Idiot.“
„Bist du nicht“, versicherte sie ihm, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihren Mund auf seinen. „Heute ist der perfekte Tag dafür. Ich liebe dich auch, Abram! Du bist brillant, und ich habe absolutes Vertrauen in dich.“
Sie liebte ihn? Warum? Welche Kette von Ereignissen, welche Laune des Schicksals könnte ihm erlauben, so viel Glück zu haben?
Energie durchflutete seinen Körper, tausend Ideen wirbelten gleichzeitig durch seinen Kopf. Binnen einer Nanosekunde sah er auf einmal Möglichkeiten, wo vorher nur Versagen gewesen war.
„Sie hat recht“, redete er mehr mit sich selbst als mit Linda.
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