Supernova
Instanz in diplomatische
Angelegenheiten stillschweigend akzeptiert. In diesem Fall hatte das
Eschaton keine Zivilisation vernichtet; es hatte nur dafür
gesorgt, dass eine Invasionsflotte so spät an ihrem Ziel
eintraf, dass sie den Lauf der Geschichte nicht mehr verändern
konnte. Gleichzeitig hatte es damit den Zusammenbruch eines
aggressiven, militaristischen Regimes ausgelöst. Eigentlich
hatten ihre Vorgesetzten im Geheimdienst, die »Schwarze
Kammer«, sie selbst zu dem Zweck entsandt, den Niedergang des
Regimes zu beschleunigen. Aus ihrer Sicht war dieses zufällige
Zusammentreffen verschiedener Umstände letztendlich ein
Glücksfall gewesen, denn während ihrer Mission hatte sie
nicht nur einen Agenten des Eschaton kennen gelernt, sie hatte ihn
auch geheiratet. Und manchmal, an guten Tagen – wenn sie nicht
gerade ins Kreuzfeuer genommen wurde, weil das bürokratischen
alten Vetteln so gefiel, oder angefordert wurde, um hässliche
Notsituationen zu bereinigen –, war sie der Meinung, nur eines
könne ihr noch Angst machen: die Möglichkeit, ihn wieder zu
verlieren.
Aber das war an guten Tagen…
Rachel hatte so lange geduscht und gebadet, bis sie blitzsauber
war, ein Breitband-Antibiotikum und ein sehr starkes Sedativ
eingenommen und lag seit einer Stunde im Bett, als Martin nach Hause
kam.
»Rachel?«, hörte sie ihn durch eine dicke, warme,
wunderbare Schutzhülle von Mattigkeit rufen. Sie lächelte
vor sich hin. Er war wieder zu Hause. Wenn ich will, kann ich
jetzt einen langsameren Gang einlegen, dachte sie
beiläufig.
»Rachel?« Die Tür zum Schlafzimmer ging auf.
»He!« Als sie die Augen verdrehte, um ihn anzusehen,
spürte sie durch den Nebel hindurch eine Welle von Liebe.
»Hi«, murmelte sie.
»Was ist…« Sein Blick fiel auf den Nachttisch.
»Oh.« Er ließ seine Tasche zu Boden gleiten.
»Wie ich sehe, hast du harte Sachen hinter dir.« Im
nächsten Augenblick saß er schon neben ihr, eine Hand an
ihrer Stirn. »Die Polizei hat angerufen«, erklärte er
mit besorgter Miene. »Was ist passiert?«
Zeit, herunterzukommen, wurde ihr widerstrebend klar.
Irgendwie brachte sie die Energie auf, auf das A/D-Pflaster zu
deuten, das bei der leeren Verpackung lag. Es war das Schwerste, was
sie je getan hatte, schwerer als die Finger um den Schwanz…
»Oh. Ja.« Gewandte Finger, beweglicher als ihre, rissen
den Zellophanschutz vom Pflaster ab und drückten es sanft gegen
ihren Hals. »Scheiße, das ist echt starkes Zeug, was du da
genommen hast. War es wirklich so schlimm?«
Allmählich fiel ihr das Sprechen leichter. »Du hast ja
keine Ahnung«, murmelte sie. Am Rand ihrer Welt sammelte sich
eine Flutwelle der Verzweiflung, die sie zu überwältigen
drohte, nachdem das künstliche, durch Endorphine ausgelöste
Hochgefühl wegen des im Pflaster enthaltenen Gegenmittels nach
und nach schwand. Als sie allein gewesen war und Martin nicht hatte
erreichen können, da er sich gerade auf dem Rückflug in die
Erdatmosphäre befunden hatte, war es ihr durchaus
vernünftig vorgekommen, so viele Tabletten einzuwerfen. Aber
jetzt, wo deren Wirkung nachließ, fragte sie sich, wie sie so
etwas Dummes hatte tun können. Sie griff nach seinem Handgelenk.
»Geh und hol uns ein paar Weinflaschen aus der Küche. Dann
erzähl ich’s dir.«
Er blieb lange weg – vielleicht auch nur einige Minuten,
obwohl es ihr wie Stunden vorkam. Als er zurückkehrte, hatte er
seine Oberbekleidung größtenteils abgelegt und eine
Flasche Wein und zwei Gläser besorgt. Er war blass und wirkte
abgespannt. »Verdammt noch mal, Rachel, warum, zum Teufel, hast
du dich für so was hergegeben?« Offenbar hatte er in der
Küche die Nachrichten mitbekommen. Er stellte die Gläser
ab, nahm neben ihr Platz und half ihr, sich aufzusetzen. »Die
bringen’s auf allen Sendern. Diese verdammte Bestie …«
Als er den Arm um ihre Schultern legte, lehnte sie sich gegen ihn.
»Der Einsatztrupp der Verrückten«, sagte sie heiser.
»Bist du einmal dabei, kommst du nie wieder davon los. Ich bin
Unterhändlerin, das weißt du doch?! Es war niemand anderes
da, der das hätte übernehmen können, also…«
Sie zuckte die Achseln.
»Aber sie hätten dich gar nicht erst anrufen
sollen…« Sein Arm spannte sich.
»Hör. Mal. Zu.« Sie schluckte. »Mach die
Flasche auf.«
»Okay.« Martin, der klugerweise spürte, dass dies
nicht Zeit und Ort waren, das Gespräch an sich zu reißen,
sagte nichts mehr und goss ihr ein Glas Wein ein. Es war ein
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