Susan Andersen
mitten im Satz. „Jason kommt gerade, und ich will so schnell wie möglich wissen, was mit Cory geschehen ist, nachdem ich gegangen bin.“ Darauf wartete sie praktisch, seit er ihr in der Wohnung der Capellis seinen Autoschlüssel zugeworfen und gesagt hatte, dass sie nun genauso gut nach Hause fahren könne.
Zu dem Zeitpunkt stand er am Telefon und wartete darauf, mit jemandem verbunden zu werden, um Corys Schutz zu organisieren. Er erklärte ihr, dass dieser Vorgang vermutlich lange dauern und er sich schon irgendwie eine Mitfahrgelegenheit organisieren würde.
Wie ein Blitz schoss Poppy zur Eingangstür.
„Mir ist erst hier aufgefallen, dass du vergessen hast, deinen Haustürschlüssel vom Schlüsselbund zu nehmen“, rief sie, während sie die Tür aufriss.
Es war nicht Jase. Vor ihr stand ein fremder Mann.
Ein wüst aussehender, bulliger Fremder mit einer Menge schlecht gemachter Tätowierungen auf den Fingerknöcheln. Sie schluckte trocken und wollte die Tür wieder schließen, wobei ihr klar war, dass sie keine Chance hatte, wenn er sich gewaltsam Zutritt verschaffen wollte.
Doch er ließ nur die Hände in seine Jeanstaschen gleiten und lächelte sie freundlich an. „Hey“, sagte er. „Ist Jase da?“
Er kannte Jason? „Ah, nein.“ Oh, verdammt, nach allem, was in letzter Zeit geschehen war, hätte sie ihm wohl besser nicht verraten sollen, dass sie allein war.
Verflucht, sie war es einfach nicht gewohnt, Menschen voller Misstrauen zu begegnen. „Nein, tut mir leid“, erklärte sie. „Er ist beruflich unterwegs.“
„Oh.“ Enttäuschung huschte über sein Gesicht, dann wurde es wieder ausdruckslos. „Detective Schwachko... ähm, ich meine Murphy, hat mir Ihre Adresse gegeben.“ Er reichte ihr seine Hand. „Ich bin Joe. Jases Bruder.“
Völlig perplex sah sie ihn an. Jason hatte einen Bruder}
Ihr Erstaunen musste sich auf ihrem Gesicht spiegeln, denn Joe schnitt eine Grimasse.
„Scheiße, er hat Ihnen nichts erzählt, oder? Na, ich schätz mal, ich und der alte Herr und Pops – das ist unser Opa –, wir sind nicht direkt die Verwandten, von denen man gern spricht. Wir haben zu oft im Walla Walla oder Monroe gesessen, um uns um Jase zu kümmern, als er ein Kind war.“
Heiliger Strohsack! Sie trat zurück. „Ich hoffe, dass er bald nach Hause kommt.“ Etwas verspätet ergriff sie seine Hand. „Ich bin Poppy. Möchten Sie vielleicht reinkommen?“
„Danke. Das ist wirklich nett.“ Kurz darauf hockte er unbehaglich auf der Couch und lehnte etwas zu trinken ab.
Poppy musterte ihn prüfend. „Sie und Jason sehen sich nicht sehr ähnlich, oder?“ Dann fiel ihr Blick auf sein Kinn, und sie lächelte. „Von dem Dreitagebart mal abgesehen.“
Darauf musste Joe auch lächeln. Er rieb sich mit der Hand übers Kinn. „Ja. Alle de Sanges haben diesen verdammt starken Bartwuchs.“ Dann verfiel er wieder in Schweigen.
Eine Weile suchte sie nach einen Thema, bei dem er sich wohlfühlen würde, und gestand schließlich: „Ich weiß nicht genau, welche Fragen man einem Mann stellen darf, der zugibt, dass er mehr Zeit im Gefängnis als draußen verbracht hat.“
Zu ihrer Erleichterung war er daraufhin wieder so locker wie am Anfang. „Klar“, grinste er. „Ich schätze, so ein besseres Mädchen wie Sie bekommt nicht viele von uns zu sehen.“
„Besseres Mädchen, von wegen. Ich hab zwar eine Freundin, die man so bezeichnen könnte, aber ich bin in einer Kommune groß geworden.“
„Echt wahr?“
„Na ja, groß geworden ist vielleicht etwas übertrieben. Aber zumindest die ersten fünf Jahre habe ich dort gelebt.“ Erst jetzt ging ihr auf, dass dies eine fantastische Gelegenheit war, etwas mehr über Jason zu erfahren. Gut, seinen Bruder auszuquetschen war nicht gerade die feine englische Art, aber zumindest konnte sie ihn ja mal fragen, wie Jase als Junge gewesen war. „Also, wie war denn ...“
Die Tür knallte zu, und Poppy wurde klar, dass sie sie wohl vorhin nicht richtig geschlossen hatte. „Diesmal ist es vermutlich wirklich Jason“, bemerkte sie grinsend und lehnte sich zurück, um nachzusehen und ihm zuzurufen, dass sie Besuch hatten.
Ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. Mit Wucht riss er sich die Krawatte vom Hals und schleuderte sie durch den schmalen Flur.
Sie war allerdings zu leicht, um weit zu fliegen. Das Jackett, das ihr folgte, legte schon einen weiteren Weg zurück. Es traf die Wand und glitt auf den Boden,
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