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Tabu: Thriller

Tabu: Thriller

Titel: Tabu: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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Dieses magische Wort. Zeit. Magisch und voller Hinterlist.
    »Gunnar?« Langen starrte ihn abwartend an.
    Er brummte entschuldigend und sagte: »Ich war mit meinen Gedanken woanders! Du, ich muss dir was sagen…« Er legte seine kräftige Hand auf Langens Schulter und zog ihn zu sich. Er war wohl der Einzige in der ganzen Redaktion, der so etwas bei Langen wagte. »Ich freue mich. Doch wirklich! Ich freue mich, Anders.«
    Langen zückte den gelben Bleistift, den er hinter seinem Ohr stecken hatte, inspizierte die Bissmarken und steckte ihn wie eine Zigarette in den Mund. »Hab ich mir schon gedacht.« Er rollte den Bleistift mit einer mahlenden Bewegung des Unterkiefers zwischen den Zähnen hin und her. »Träumst wohl noch immer von diesem Buch?«
    Die Frage kam weder abschätzig noch belustigt. Langen schien Respekt zu haben. Gunnar stutzte. Er konnte sich nicht daran erinnern, Langen von dem Buch erzählt zu haben. Er dachte, er hätte mit niemandem darüber gesprochen. Außer mit Kristin. Das Buch war sein geheimer Traum. Wann hatte er Langen davon erzählt? Vermutlich irgendwann im Suff. Langen pflegte in solchen Momenten ein treuer Begleiter zu sein.
    Gunnar sagte: »Vielleicht schreibe ich dieses Buch wirklich eines Tages, Anders. Vielleicht.«
    »Nun…« Anders Langen richtete sich auf und machte Anstalten weiterzugehen, »und wenn es dann doch kein Buch gibt, dann weißt du ja, dass du hier jederzeit willkommen bist.«
    Er sagte das ganz nebenbei, fast wie eine Höflichkeitsfloskel, aber die Worte trieben Gunnar trotzdem unvermittelt das Wasser in die Augen. Verdammt Gunnar, du bist auf deine alten Tage ein sentimentaler Trottel geworden ! Er blinzelte und tat es mit einem Lachen ab. »Danke, danke, aber du weißt ja: Man kann viel über den Journalismus sagen, aber er ist auf jeden Fall…«
    »…besser, als zu arbeiten«, vollendete Langen. Er klopfte noch einmal auf Gunnars Schulter. »Wir bleiben in Kontakt, Oldtimer.«
     
    Als er durch die verschlungenen Korridore zurück zu seinem Büro ging, dachte er an Kristin.
    Er hatte über manch einen Mord berichtet. Triviale Tragödien. Mord im Suff oder aus Eifersucht. Nur ausnahmsweise hatte er es einmal mit wohlüberlegten, geplanten Morden zu tun gehabt. Aber dieser Kerl jetzt, dieser Aquarius, war eine Klasse für sich. Er erinnerte an die englischen oder amerikanischen Mörder, von denen man ab und an las. Asoziale Einzelgänger. Krankhaft einseitig.
    Warum hatte er sich Kristin ausgesucht?
    Er schloss die Tür hinter sich und setzte sich auf seinen alten, grünen Bürostuhl, den der Betriebsphysiotherapeut schon seit acht Jahren ausrangieren wollte.
    Warum Kristin?
    Er konnte es nicht fassen. Sie war hübsch, das ja, aber auch nicht hübscher als viele der anderen weiblichen Fernsehgesichter. Sie drängte sich nicht in den Vordergrund. In regelmäßigen Abständen tauchte sie im Fernsehen auf, nicht mehr und nicht weniger. Ein Wochenmagazin hatte ein paar Bilder von ihr gedruckt, als sie mit Marcus zusammen war, aber sie war bei Weitem kein Promi. Warum sie?
    Er hatte zwei junge Frauen getötet. Hatte sie gefilmt und seine Videos an Kristin geschickt. Und mehr Aufmerksamkeit erhalten, als er sich hätte träumen lassen. Die Zeitungen schrieben zurzeit über kein anderes Thema. Alle Medien der Stadt hatten eigene Aquarius-Abteilungen eingerichtet, die beständig auf der Jagd nach neuen Aspekten des Falls waren.
    Gunnar hoffte, dass er sich endlich zufriedengab. Dass er die Aufmerksamkeit hatte, die er gesucht hatte. Er hoffte, dass der Mörder in Deckung ging, bis Polizeidirektor Vang eines Tages an seine Tür klopfte und das Spiel aus war.
    Und trotzdem fürchtete er, dass das alles bloß der Anfang war.
    Er hoffte bei Gott, dass es nicht noch mehr Morde geben würde.
    Und dass Kristin in Sicherheit war.
    Die Unsicherheit legte sich wie ein fader Geschmack auf seine Zunge und erinnerte ihn an seine Kindheit. So schmeckte es, wenn man an alten Fünf-Øre-Stücken leckte.
    Sie ist erst 17 Jahre alt, sieht aber zehn Jahre älter aus. Es verwirrt ihn, dass sie so jung ist. Sie hat üppige Brüste und einen verstockten Blick. Keine Nymphe. Ganz und gar keine Nymphe.
     
    Es war ganz einfach gewesen, wahnwitzig einfach. Er hatte ein Wochenende in den Bergen verbracht, mit Zelt und Angel, Gaskocher und allem, was dazugehört, und sie hatte etwas nördlich von Dokka am Straßenrand gestanden und den Daumen rausgehalten. In diesen Zeiten traute sich kaum

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