Tage der Freuden
starker und glutvoller Himmel. Graue, blaue und rosafarbene Wolken glitten über seinen zärtlichen, lachenden Azur, nicht die Schatten der gedankenvollen Wolken, sondern die leuchtenden, schlüpfrigen Flossen eines Barsches, eines Aals oder eines Stintes. Im Rausch der Freude eilten sie zwischen dem Himmel und den Gräsern, bewegten sich in ihren Wiesen und ihren Gebüschen, die der strahlende Genius des Frühjahrs ebenso wie unsere Oberwelt verzaubert hatte. Und die Wasser glitten über den Köpfen der Fische dahin, zwischen ihren Kiemen, unter ihrem Leib, schneller strömten die Wasser und rauschten ihren Gesang, und lustig jagten sie vor sich die Sonnenstrahlen her.
Nicht minder erfreulich anzusehen war der Hühnerhof, aus dem wir Eier holen sollten. Gleich einem inspirierten und fruchtbaren Dichter, der es nicht verschmäht, Schönheit über die geringsten Orte auszuschütten, selbst über solche, die bisher offenbar nicht dem Reich der Kunst angehört haben, so erwärmte die wohltuende Kraft der Sonne den Düngerhaufen, den unordentlich gepflasterten Hof und den Birnbaum, der wie eine alte Magd gekrümmt war.
Doch wer ist diese königlich gekleidete Gestalt, die sich uns nähert? Zwischen diesen ländlichen Dingen schreitet sie auf den Zehenspitzen, wie um sich nicht zu beschmutzen. Es ist der Vogel der Juno, er leuchtet nicht in dem Prunk toter Edelsteine, nein, es sind die wahrhaftigen Augen des Argus: es ist der Pfau, dessen sagenhafte Pracht uns hier in Erstaunen setzt. Er sieht aus wie die Herrin des Hauses vor einem großen Fest, bevor die ersten Gäste kommen; in ihrem Kleid mit schillernder Schleppe, einen azurblauen Halsschmuck um den königlichen Hals, Aigretten auf dem Haupte, so schreitet sie in funkelndem Glanz durch das bewundernde Volk der Gemeinen, die vor ihrem Tore versammelt sind, sie ist gewillt, noch einen letzten Befehl zu geben oder den Prinzen von fürstlichem Geblüte zu erwarten, den sie an der Schwelle empfangen muß.
Doch nein, hier verbringt nur der Pfau sein Leben, er ist ein wahrer Vogel aus dem Paradies im Hühnerhof, zwischen Truthühnern, Enten und anderem Federvieh. Wie die gefangene Andromeda, die zwischen Sklavinnen Leinen webte, so muß er leben, aber er hat nicht, wie sie, die Pracht der königlichen Wahrzeichen und der ererbten Schmuckstücke aufgegeben. Ein Apoll, den man immer erkennt, auch dann, wenn er in seinem Strahlendiadem die Herde des Admet weidet.
IV
Die Familie hört Musik
»Denn die Musik ist etwas Süßes, sie bringt Gleichklang in die Seele, und wie ein göttlicher Chor erweckt sie tausend Töne, die im Herzen ihren Gesang anstimmen.«
Für eine Familie, die wirklich lebt und in der jedes Mitglied denkt, liebt und handelt, ist der Besitz eines Gartens eine gute Sache. Ist des Tages Müh’ und Arbeit vorbei, so kommen die Mitglieder der Familie an den Abenden des Frühlings, des Sommers und des Herbstes zusammen; mag der Garten noch so klein sein, mögen sich die Hecken noch so nahe gegenüberstehen, so hoch sind sie nicht, als daß man nicht ein großes Stück Himmel sehen könnte, wohin jedermann die Augen erheben kann, um zu träumen, ohne zu sprechen. Das Kind träumt von Zukunftsplänen, von der Wohnung, die es mit dem geliebten Kameraden beziehen will, um sie nie zu verlassen, es träumt von allen unbekannten Pfaden der Erde und des Meeres. Der Jüngling träumt von dem geheimnisvollen Zauber der Frau, die er liebt, die Mutter träumt von der Zukunft ihres Kindes, und die Frau, die sonst schwer ihren Frieden finden kann, entdeckt auf dem Grunde dieser lichten Stunde unter der kalten Außenseite ihres Mannes eine schmerzliche Wehmut, die sie tief zu Mitleid rührt. Der Vater verfolgt mit den Augen die Rauchwolke, die über ein Dach emporsteigt, und er hängt seine Gedanken an die freundlichen Szenen der Vergangenheit, die zauberhaft das Licht des Abends bis in die Ferne durchleuchtet. Er denkt an seinen kommenden Tod und an das Leben seiner Kinder nach seinem Tode; und so erhebt sich die Seele der ganzen Familie gläubig gegen Sonnenuntergang, während der große Lindenbaum, die Kastanie oder die Tanne über sie die Benediktion ihres erwählten Duftes ausgießt oder die Weihe ihres ehrwürdigen Schattens.
Aber für eine Familie, die wirklich lebt, wo jeder denkt, liebt und handelt, für eine beseelte Familie gibt es nichts Süßeres, als wenn sich diese Seele abends in einer Stimme inkarniert, das heißt, wenn sie widerklingt in der klaren und
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