Tagebuch der Apokalypse 01
zweite Etage des fünfstöckigen Hauses zu verbarrikadieren. Dann hatte er angefangen, alle Besucher zweifelhaften Charakters mit seiner .22er- Büchse zu empfangen. Nach drei Tagen und Nächten pausenlosen Getöses der in ihren Zimmern festsitzenden untoten Hotelbewohner hatte er beschlossen abzuhauen.
Er war von einem unbewohnten Zimmer zum nächsten gegangen, hatte Bettlaken gesammelt und sie mit Doppelknoten zu einem Tau verflochten. Früh am Morgen des Ausbruchs hatte er sich ein passendes Fenster zum Abseilen gesucht. Das Fenster seiner Wahl lag im dritten Stock, und ein hoher Baum, der gleich davor wuchs, verhinderte, dass man ihn von der Straße aus sah. John hatte sich mit dem Gewehr auf dem Rücken abgeseilt und seine bruchfeste Beute auf den Boden fallen lassen.
Beim Klettern hatte er gespürt, dass sich ein Knoten des Lakenseils zu lösen begann. Es war zu spät, wieder hinaufzuklettern, um etwas dagegen zu unternehmen. Er ließ sich also weiter hinab. Der Knoten löste sich, als John sich auf Höhe der zweiten Etage befand. Er fiel sofort in die Tiefe und durch die Baumäste, die ihn, bevor er unten aufschlug, ordentlich zerkratzten. Als er den Boden berührte, ging sein Schießeisen los; die Kugel schlug von hinten in seine Schulter und trat vom wieder aus.
Seine nächste Erinnerung war ich, der ihn in Sicherheit brachte.
5. März
12.30 Uhr
Bin heute Morgen um 6.00 Uhr schweißnass wach geworden. Die Familie Grisham schlief noch im anderen Raum der Hafenmeisterei. John und ich haben uns auf zwei Bürosofas hingehauen. Ich weiß noch, dass ich in der vergangenen Nacht einen schrecklichen Traum hatte, aber ich kriege ihn nicht mehr auf die Reihe. Ich weiß, dass ich schnell gerannt bin. Das Erste, was ich beim Aufwachen sah, waren kleine Blutstropfen an der Wand, die vom Selbstmord des Hafenmeisters zurückgeblieben sind. John ist erst gegen 11.30 Uhr aufgewacht.
Glücklicherweise scheinen die Schusswunde und seine sonstigen Verletzungen nicht kritisch infiziert zu sein. Man sieht nur ein paar kleine Rötungen an den Rändern einiger Schrammen. Was für ein Glück, dass die Kugel die Schulter durchschlagen hatte. Hätte einer von uns sie aus seiner Schulter holen müssen, wäre er vielleicht an einer Infektion gestorben.
Sanitätsartikel wären ein schöner Luxus, besonders da wir nun jemanden haben, der mit ihnen umgehen kann. Ein hübscher Bunker mit zwei Meter dicken Stahlwänden, geothermischer Energieversorgung und unbegrenzten Lebensmitteln und Wasser wäre auch nicht zu verachten. Wer in der Hölle sitzt, träumt von Eiswasser.
Mit wem scherze ich eigentlich?
Es gibt keine Hölle mehr.
Die Hölle ist hier.
Ich will Eiswasser.
Zeit der Stille
19.44 Uhr
Während Janet, John, William und ich über unsere Erlebnisse sprachen, spielten Laura und Annabelle im Hinterzimmer. William erläuterte seine Situation auf dem Dachboden und wie es dazu gekommen war. John lag mit seiner (ironischerweise aus einem Laken) selbst gebastelten Schlinge auf dem Sofa.
Ich brachte die Tatsache zur Sprache, dass wir nicht für immer auf dieser Insel bleiben könnten. Wir werden niemals wirklich sicher vor den Horden sein, die auf den Straßen herumstreunen. Was tun wir, wenn ein Hurrikan den Schwimmsteg aus seiner Verankerung reißt oder gar an Land spült? Hier können eine Million Dinge schieflaufen. Der Sprit für die Boote ist begrenzt. Keiner weiß, wie man die große Fähre bedienen oder reparieren kann, die neben uns liegt. Ich habe William gefragt, warum er unbedingt Chemiker werden musste; einen Schiffbauer hätten wir besser gebrauchen können. Für einen Chemiker hat er allerdings einen goldigen Humor.
Bei Janet erkundigte ich mich danach, wie Laura alles verarbeitet. Sie meint, das Kind sei dem Grauen, das es in den letzten Monaten erlebt hat, ungewöhnlich robust begegnet. Ich hatte Laura in der Nacht zuvor im Schlaf weinen gehört, erwähnte dies jedoch Janet gegenüber nicht, weil ich davon ausgehe, dass sie es selbst weiß.
Vielleicht liegt es an meiner militärischen Natur, aber ich habe das Gefühl. dass wir in der gleichen Lage sind wie damals im Tower. Wir müssen planen, und zwar schnell. Ich sehe zwar hier auf dem Schwimmsteg keine Gefahr im Anmarsch, da wir auf einer kleinen von Menschenhand geschaffenen Insel leben, aber andererseits hielten John und ich damals immerhin einen siebzig Meter hohen Turm besetzt, der von einem hohen Maschendrahtzaun umgeben war und sich im Nu im
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