Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
Ritter, Fürst Tharin!«
»Dann habt Ihr es wahrlich weit gebracht. Ich erinnere mich an einen Lagerboten mit einer besonderen Begabung für Taschendiebstahl und gewitzte Lügen. Ich erinnere mich an Euch, Sir Tomas, und auch an Euren Herrn.«
»Ich ebenfalls«, brummte der alte Jorvai aus dem hinteren Bereich des Audienzsaals, wo er mit einigen der älteren Fürsten Würfel gespielt hatte. Er trat vor und ließ eine Hand auf den Schwertgriff sinken. »Und so wie Fürst Tharin habe ich ein gutes Gedächtnis für Gesichter und den dazugehörigen Ruf. Ursaris wollte sich das Brot schon immer von beiden Seiten buttern.«
Tamír hob die Hand, um ihnen Einhalt zu gebieten. »Sagt Eurem Herrn, wenn er mich zu unterstützen wünscht, ist er an meinem Hof willkommen. Wenn nicht, soll er bis morgen Früh verschwunden sein, oder ich werde ihn als meinen Feind betrachten.« Es war keine leere Drohung, und der Mann erkannte es.
»Ich werde ihm Eure Antwort berichten, Hoheit.« Damit verneigte sich Tomas und eilte hinaus.
Tamír und ihre Garde ritten zur Bettlerbrücke hinaus, um zu beobachten, wie sich Ursaris verhalten würde. Bei Sonnenuntergang hatte er das Lager abgebrochen, marschierte gen Westen und nahm seine Krieger mit.
»Um euch ist es nicht schade!«, rief Ki ihnen hinterher, stand im Sattel auf und schwenkte ihren entschwindenden Rücken die Faust hinterher. »Ihr Feiglinge!«
»Das stimmt nicht«, berichtigte ihn Tharin. »Ursaris ist ein guter Anführer, und seine Männer sind tapfer.«
»Sie haben die Wahrheit über mich nicht geglaubt«, sagte Tamír.
»Ich bezweifle, dass sie für ihn eine Rolle gespielt hat«, gab Tharin zurück. »Er hat sich dafür entschieden, Korin zu unterstützen.« Er beugte sich herüber und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Und er wird nicht der Einzige sein.«
Tamír seufzte, während sie beobachtete, wie Ursaris’ Banner im Zwielicht des Sonnenuntergangs und im Staub der Straße entschwanden. »Ich weiß. Glaubst du, Korin hat auch Leute an mich verloren?«
Tharin schwenkte eine Hand über das weitläufige Gewirr der Zelte und Pferche auf der Ebene. »Sie sind hier, und jeden Tag kommen mehr.«
Tamír nickte. Dennoch fragte sie sich, wie viele Krieger Korin mit dem Schwert Ghërilains und dem Namen seines Vaters um sich scharte.
Derlei Gedanken erfüllten sie mit umso mehr Dankbarkeit für die vertrauten Gesichter rings um sie.
Allerdings waren nicht alle von ihnen so, wie sie gewesen waren.
Tanils Wunden waren verheilt, sein Geist allerdings war immer noch gebrochen. Tamír und Ki besuchten den Knappen jeden Tag in dem Zimmer, das er sich mittlerweile mit Luchs teilte, schlief viel und verbrachte den Großteil seiner wachen Stunden damit, durch das Fenster aufs Meer zu starren. Die anderen mussten ihn sogar daran erinnern zu essen. Seine einst so lebhaften, braunen Augen wirkten stumpf, das Haar hing ihm strähnig und dreckig um die Schultern, abgesehen von zwei unebenmäßig geschorenen Büscheln an den Schläfen, wo der Feind ihm die Zöpfe abgeschnitten hatte, was für einen Krieger ein Schandmal darstellte. Quirion war gezwungen worden, sie sich selbst abzuschneiden, als er wegen Feigheit von den Gefährten verbannt worden war. Tanil würde sich erst wieder als würdig erweisen müssen, bevor ihm gestattet werden konnte, sich neue zu flechten.
Tamír bezweifelte, dass es ihn kümmerte. Der Einzige, mit dem er freiwillig redete, war Luchs, und selbst zu ihm sagte er sehr wenig. Wenn Luchs sonst nirgends gebraucht wurde, saß er oft stumm bei ihm, weil er fürchtete, er könnte sich etwas antun.
»Schlimm genug, dass diese plenimarischen Mistkerle ihn derart gedemütigt und mit der Schande am Leben gelassen haben, aber er hat obendrein das Gefühl, Korin im Stich gelassen zu haben«, vertraute Luchs Tamír und den anderen an. »Sein Verstand treibt ziellos umher, und er will sich auf die Suche nach Korin machen, wobei er denkt, er sei im Kampf gefallen. Dann wieder vermeint er, Korin nach ihm rufen zu hören. Wenn ich nicht hier bin, muss ich eine Wache an seiner Tür postieren.«
»Wie hat Korin es aufgenommen, ihn zu verlieren?«, erkundigte sich Ki bei Nikides.
»Es hat ihn schwer getroffen. Du weißt ja, wie nah die beiden sich gestanden haben.«
»Aber er ist nicht umgekehrt, um nach dem Leichnam zu suchen und seinem Freund die angemessenen Riten zuteil werden zu lassen?«
Nikides zuckte mit den Schultern. »Dafür war keine Zeit. Die
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