Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
Ernten eingebracht und die Aussaat vorüber waren, kamen weitere Adelige mit dem Ansinnen nach Cirna, sich dem neuen König zu verpflichten. Lutha suchte in jeder Gruppe von Neuankömmlingen hoffnungsfroh nach vertrauten Gesichtern. Viele waren nicht darunter.
Boten trafen täglich ein, aber einige der Mitteilungen, die sie überbrachten, erwiesen sich als nüchtern im Ton und ausweichend, was die Unterstützung für den neuen König anging. Andere schienen darauf abzuzielen, ihn abzuwägen, seinen Einfluss gegen Tobins Anspruch auszuloten. Sie stellten dieselben Fragen wie die Adeligen, die seit dem Frühjahr hier ausharrten: Warum war Korin noch nicht ins Feld gezogen, um seine Hauptstadt zurückzufordern? Warum blieb er in einer so abgelegenen Festung, während ihn das Land brauchte? Warum hatte keine königliche Rundreise stattgefunden? Manche boten ihm auch die Hände ihrer Töchter an, da sie nicht wussten, dass sich der König bereits eine Gemahlin genommen hatte.
Korin und die anderen kehrten gerade von einem frühmorgendlichen Ausritt auf der Südstraße zurück, als Lutha einen Reiter erspähte, der sich in wildem Galopp näherte.
»Schaut«, sagte er und deutete in die Richtung.
»Ein Bote«, meinte Fürst Niryn und schattete die Augen ab.
Die Gruppe zügelte die Pferde, und Hauptmann Melnoth ritt mit einigen Männern los, um den Boten abzufangen.
Der Mann wurde erst langsamer, als er sie beinah erreicht hatte. Er zügelte sein Pferd, dem Schaum vor den Nüstern stand, und rief: »Ich bringe eine Nachricht für König Korin!«
»Komm her«, befahl Korin.
Es war einer von Niryns Männern. »Ich war in Ero, um zu spitzeln, Majestät. Es gab einen weiteren Überfall der Plenimarer. Sie griffen im Norden der Stadt an, und Prinz Tobin schlug sie zurück.«
»Hast du die Schlacht bezeugt, Lenis?«, fragte Niryn.
»Ja, Herr. Man hat dort am Hof mächtige Zauberer, die eine Art Feuerbann einsetzten.«
»Was ist mit meinem Vetter?«, verlangte Korin zu erfahren und drehte dabei die Zügel in den Händen. »Gibt er sich immer noch als Mädchen aus?«
»Ja, Majestät. Ich habe einen flüchtigen Blick auf sie … äh, ihn erhascht, als sie losritten.«
»Und?«, hakte Korin nach.
Der Mann grinste. »Er gibt ein recht reizloses Mädchen ab, Majestät.«
Die meisten in der Gruppe lachten darob, doch Caliel und Lutha tauschten besorgte Blicke. Dieser Sieg bedeutete eine weitere Errungenschaft für Tobin. Seine Illior zugetanen Anhänger würden ihn gewiss als weiteres Zeichen der Gunst des Gottes deuten. Dasselbe mochte durchaus für Korins Förderer hier in Cirna gelten. Sie wurden zunehmend unruhiger und ratloser angesichts Korins Weigerung, etwas zu unternehmen.
»Soll ich die Kunde weiter zur Festung befördern, Majestät?«, fragte der Bote verhalten.
Korin sah Niryn an, bevor er antwortete.
Der Zauberer zuckte mit den Schultern. »Es besteht wenig Hoffnung zu verhindern, dass sich solcherlei Neuigkeiten verbreiten.«
Korin winkte den Mann weiter.
»Verdammt!«, rief Alben. »Fürst Niryn, habt Ihr das gehört? Ein weiterer verfluchter Sieg für Tobin, während wir hier oben tatenlos herumlungern!«
»Zweifellos war es nur ein kleiner Überfall, Herr«, gab Niryn ruhig zurück. »Solche Dinge werden immer übertrieben geschildert.«
»Das spielt keine Rolle«, entgegnete Alben.
»Wisst Ihr, damit hat er Recht«, platzte Lutha hervor. » Wir sollten dort sein und den Feind abwehren.«
»Hütet eure Zungen«, befahl Korin. »Ich bestimme, wann wir aufbrechen oder bleiben. Und ihr tätet gut daran, euch dessen zu besinnen – ihr alle!«
Trotz seiner Worte brodelte Korin vor Zorn, als sie zurück zur Festung ritten. Was immer seine Gründe dafür sein mochten, hier auszuharren, es widerstrebte ihm ebenso sehr wie dem Rest der Männer.
Die Neuigkeiten über den Sieg wurden mit all der Verbitterung und all dem Unmut aufgenommen, die Lutha selbst verspürte. An jenem Abend und an vielen anderen danach herrschten in der großen Halle düstere Blicke und verhaltenes Murren vor. In Kriegern, die mit Korin aus der Stadt geflohen waren, flammte wieder Scham auf. Lutha hörte einige Männer darüber tuscheln, ob es denn möglich wäre, dass an dem Gerede von der Prophezeiung etwas dran sei. Dennoch wagte niemand, den König in Frage zu stellen.
Lutha kennzeichnete die Tage auf dem Kalenderstab. Kis Namenstag kam und ging. Er und Caliel erhoben an jenem Abend einen Weinkelch auf ihn und
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