Tamuli 3 - Das Verborgene Land
diese Armeen von der Grenze wegzulocken.« Ritter Heldin holte seine Karte hervor. »Das wäre machbar«, sagte er, nachdem er sie eingehend studiert hatte. »Aber sind wir dafür nicht ein bißchen zu wenig Leute?« »Wir werden es schon schaffen. Vanion ist auf dem Schlachtfeld und wird an der cynesganischen Grenze von einer zahlenmäßig starken Übermacht bedrängt. Falls es uns nicht gelingt, die Feinde durch ein paar gezielte Aktionen abzulenken, steht Vanion auf verlorenem Posten und wird hoffnungslos überrannt.«
Heldin blickte den hünenhaften thalesischen Patriarchen nachdenklich an. »Es wird Euch nicht gefallen, Eminenz«, sagte er, »aber wir haben keine Wahl.« »Heraus damit!« forderte Bergsten ihn auf.
»Ihr solltet Eure Soutane ablegen und den Befehl übernehmen. Abriel ist gefallen, Darellon ist kampfunfähig, und wenn Komier zu kämpfen versucht, wird das Gewicht seiner Streitaxt ihn zum Krüppel machen.« »Ihr seid noch da, Heldin. Ihr könnt unser Feldherr sein.«
Heldin schüttelte den Kopf. »Ich bin kein Hochmeister, Eminenz, und das weiß jeder in der Armee. Außerdem bin ich Pandioner, und die anderen Orden hegen keine sehr freundlichen Gefühle für uns. Wir haben uns in den letzten zwei Jahrhunderten nicht viele Freunde gemacht. Die anderen werden mich nicht als Befehlshaber akzeptieren. Ihr aber seid Patriarch und sprecht für Sarathi – und die Kirche. Die Männer werden Euch ohne Widerspruch folgen.« »Das kommt nicht in Frage!«
»Dann werden wir hier warten müssen, bis Dolmant uns einen neuen Heerführer schickt.«
»Wir dürfen nicht warten!«
»Ganz meine Meinung. Habe ich Eure Erlaubnis, den Rittern mitzuteilen, daß Ihr den Oberbefehl übernehmt?«
»Das kann ich nicht, Heldin. Ihr wißt, daß es mir untersagt ist, mich der Magie zu bedienen!«
»Da wird sich schon ein Weg finden, Eminenz. Unter allen Dienstgraden gibt es viele fähige Männer, die sich auf Magie verstehen. Ihr braucht uns nur zu befehlen, was geschehen soll, und wir kümmern uns darum.«
»Ich habe einen Eid geleistet!«
»Zuvor habt Ihr noch einen anderen Eid geleistet, Patriarch Bergsten. Ihr habt geschworen, die Kirche zu verteidigen. Dieser Eid hat in unserer derzeitigen Lage Vorrang.«
Der schwarzberockte Erzmandrit mit dem gewaltigen Bart sah den zaudernden Thalesier nachdenklich an. Dann fragte er beinahe gleichmütig: »Würdet Ihr gern eine unabhängige Meinung hören, Bergsten?«
Bergsten funkelte ihn finster an.
»Ihr bekommt sie trotzdem zu hören«, erklärte der astelische Geistliche ungerührt. »Aufgrund des Wesens unseres Gegners sehen wir uns einer ›Krise der Kirche‹ gegenüber – und die Macht setzt andere Regeln außer Kraft. Gott braucht Eure Axt, Bergsten, nicht Eure Theologie.« Er blickte den thalesischen Patriarchen mit halb zusammengekniffenen Augen an. »Das scheint Euch nicht zu überzeugen.« »Ich möchte wirklich nicht beleidigend sein, Monsel, aber die Floskel von der ›Krise der Kirche‹ kann nicht jedesmal hervorgekramt, entstaubt und als Ausrede benutzt werden, wenn wir irgendeine Regel beugen wollen.«
»Also gut, versuchen wir es anders. Hier ist Astel, und Eure Kirche in Chyrellos erkennt meine Autorität hier an. Solange wir in Astel sind, spreche ich für Gott.« Bergsten nahm seinen Helm vom Kopf und polierte abwesend die glänzend schwarzen Ogerhörner. »Theoretisch«, gab er zu.
»Theorien sind die Seele der Doktrin, Eminenz.« Monsels Bart sträubte sich im Eifer des Disputs. »Erkennt Ihr an, daß ich hier in Astel für Gott spreche?« »Also gut, um des lieben Friedens willen, ja.«
»Ich bin froh, daß Ihr es so betrachtet; es wäre mir nämlich gar nicht leicht gefallen, Euch zu exkommunizieren. Nun denn, ich spreche hier für Gott, und Gott will, daß Ihr den Befehl über die Ordensritter übernehmt. Zieht aus und vernichtet Gottes Feinde, mein Sohn, und möge der Himmel Euren Arm stärken!«
Bergsten schaute blinzelnd aus dem Fenster, blickte nachdenklich auf den schmutziggrauen Himmel und ließ sich dieses Scheinargument noch einmal durch den Kopf gehen. »Ihr übernehmt die volle Verantwortung, Monsel?« fragte er schließlich. »Ja.«
»Das genügt mir.« Bergsten stülpte sich den Helm wieder über den Kopf. »Ritter Heldin, teilt den Männern mit, daß ich den Befehl über die vier Orden übernehme. Weist sie an, die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Wir brechen im Morgengrauen auf.« Heldin nahm Haltung an. »Jawohl, General
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