Tanz der Hexen
Selbstbeherrschung und ohrfeigte ihn. Es tat ihm weh, und er weinte. Er weinte und weinte und wiegte sich in einem Sessel vor und zurück. Um ihn zu trösten, sang sie ihm neue Lieder vor.
Lange Zeit saß sie neben ihm auf dem Boden und betrachtete ihn, wie er mit offenen Augen dalag. Was für ein reines Wu n der er doch war, mit seinem schwarzen, fließenden Haar, dem dichter werdenden Bartwuchs und den Händen, die immer noch aussahen wie Babyhände, nur daß sie größer als ihre eigenen waren. Ihr war schwindlig. In ihrem Kopf ging alles durcheinander. Sie mußte etwas essen.
Er bestellte ihr etwas und sah zu, wie sie aß. Er sagte, sie müsse von jetzt an regelmäßig essen, und dann kniete er vor dem Stuhl zwischen ihren Beinen nieder, riß ihr die Seidenbl u se auf und quetschte ihre Brust, so daß die Milch ihm in den Mund spritzte wie aus einem Springbrunnen.
In anderen medizinischen Einrichtungen gelang es ihr, in die Röntgenabteilung einzudringen, und zweimal konnte sie ein komplettes Hirntomogramm von ihm anfertigen, nachdem sie alle anderen aus dem Labor geschickt hatte. Mit der Zeit wu r de sie kühner. Sie gab Leuten Anweisungen, und sie halfen ihr. Sie tarnte sich mit ihrer eigenen Identität: »Dr. Rowan Mayfair, Neurochirurgin.« Unter Fremden übernahm sie das Kommando wie eine Spezialistin, die hier zu Gast war und deren Bedürfnisse Vorrang hatten.
Sie benutzte Tabellen und Schreibzeug und Telefone, wann immer sie sie brauchte. Sie hatte nur eins im Sinn: aufzeic h nen, untersuchen, entdecken. Sie studierte Röntgenbilder se i nes Schädels und seiner Hände.
Sie selbst fühlte sich zunehmend erschöpfter. Sie hatte abgenommen. Schon ihr Bild im Spiegel in einer Hotelhalle erschreckte sie.
»Ich muß einen ruhigen Ort finden, ein Labor, einen Ort, wo wir arbeiten können«, sagte sie. »Gott helfe mir. Ich bin so müde, daß ich schon Dinge sehe.«
Und in Augenblicken reiner Erschöpfung packte sie das Gra u en. Wo war sie? Was würde mit ihr passieren? Er beherrschte alle ihre Gedanken, wenn sie wach war. Sie sank in sich z u rück und dachte: Ich bin verloren, es ist wie ein Drogentrip, eine Obsession. Aber sie mußte ihn studieren, mußte feststellen, was er war, und inmitten ihrer furchtbarsten Zweifel erkannte sie doch auch, daß sie leidenschaftlichen Besitze r stolz auf ihn empfand, daß sie ihn beschützen wollte und sich zu ihm hingezogen fühlte.
Was würden sie mit ihm machen, wenn sie ihn zu fassen b e kämen? Er hatte schon Verbrechen begangen. Er hatte gestohlen, und vielleicht hatte er für die Pässe auch gemordet; sie wußte es nicht. Sie konnte nicht mehr geradlinig denken. Einen ruhigen Ort, ein Labor – wenn sie doch nur heimlich nach San Francisco zurückkehren könnte, und wenn sie Mitch Flanagan erreichen könnte. Aber im Keplinger Institute konnte man nicht einfach anrufen.
Der Sex zwischen ihnen war ein bißchen weniger geworden. Er trank immer noch die Milch aus ihren Brüsten, aber er tat es immer seltener. Er erkundete die Kirchen von Paris. Er zeigte sich verblüfft, feindselig und zutiefst erregt in diesen Kirchen. Er ging zu den Buntglasfenstern und reckte sich zu ihnen empor. Mit Haß und Abscheu starrte er die Heiligenstatuen und Tabernakel an.
Es sei nicht die richtige Kathedrale, sagte er.
»Nun, wenn du die Kathedrale von Donnelaith meinst – natü r lich nicht. Wir sind in Paris.«
Er fuhr herum und sagte in scharfem Flüsterton: »Sie haben sie angezündet.« Er wollte eine katholische Messe hören; er zerrte sie vor Tagesanbruch aus dem Bett und zur Kirche de la Madeleine, um die Meßfeier mitzuerleben.
Es war kalt in Paris. Sie konnte keinen Gedanken zu Ende bringen, ohne daß er sie unterbrach. Zu Zeiten schien es ihr, als wisse sie nicht mehr, ob es Tag oder Nacht war. Dann weckte er sie, trank an ihr oder schlief mit ihr, rauh, aber err e gend; sie döste wieder ein, und er weckte sie und gab ihr zu essen, und er redete und redete über etwas, das er im Fer n sehen in den Nachrichten gesehen hatte, oder von etwas a n derem, das ihm irgendwo aufgefallen war. Es war planlos und immer bruchstückhafter.
Er nahm die Hotelspeisekarte vom Tisch und sang die Namen aller Gerichte. Dann schrieb er wieder wie rasend.
»Und Julien brachte Evelyn in sein Haus, und sie zeugten Laura Lee, die Alicia und Gifford gebar. Und von Julien war auch das uneheliche Kind Michael O’Brien, Sohn eines Mädchens aus dem Waisenhaus St. Margaret, das ihn fortgab
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