Tanz der Liebenden
ihre Mutter unwillig schnaubte. „Sagen wir lieber, er fühlt sich in meiner Gegenwart unwohl. Ich bin vielleicht ein winziges bisschen zu forsch aufgetreten.“
„Du?“ Natasha riss gespielt ungläubig die Augen auf. „Meine kleine schüchterne Katie?“
„Schon gut, schon gut.“ Kate lachte. „Zugegeben, ich bin zu schnell und zu heftig vorgeprescht. Als wir uns zum ersten Mal im Spielzeugladen über den Weg liefen, kaufte er gerade das Weihnachtsgeschenk für Jack. Wir haben geflirtet, ich dachte, wir wären auf derselben Wellenlänge.“
„Im Spielzeugladen also“, murmelte Natasha nachdenklich. Sie und Spence waren sich auch im Laden zum ersten Mal begegnet, als er eine Puppe für seine Tochter Freddie kaufte.
Ein Wink des Schicksals, dachte sie. So etwas konnte man nie voraussehen.
„Ja. Und weil er diesen Laster für seinen Sohn kaufte, nahm ich an, dass er verheiratet sei. Deshalb war ich sauer auf ihn, eben weil er auf meinen Flirt eingegangen ist.“
„Natürlich.“ Das wurde immer besser. Natasha schmunzelte in sich hinein.
„Dann fand ich heraus, dass er nicht verheiratet ist, und ging zum Angriff über“, murmelte Kate erbost. „Er ist auch interessiert, er will es nur nicht zugeben.“
„Er ist einsam, Katie.“
Kate sah auf. Der Funke, der ihr Temperament hätte entzünden können, erlosch. „Ja, ich weiß. Aber er zieht sich bewusst von mir zurück. Vielleicht macht er das bei jedem Menschen, außer bei Jack.“
„Mir gegenüber ist er immer freundlich und offen. Allerdings, als ich ihn einlud, morgen vorbeizukommen, ist er mir ausgewichen. Du solltet ihn überreden“, entschied Natasha und stand auf. „Genau. Geh zu ihm, nimm eine Schüssel von den Kichererbsen mit, das bringt Glück im neuen Jahr, und überrede ihn, dass er morgen herkommt.“
„Ist es nicht etwas unverschämt, am Silvesterabend uneingeladen bei einem Mann vor der Haustür aufzutauchen?“ Dann begann Kate zu grinsen. „Ach, es ist absolut perfekt! Danke, Mama.“
„Das wäre also erledigt.“ Natasha tunkte den Finger in die Schüssel mit der Kuchenfüllung und schleckte ihn ab. „Dann werden dein Vater und ich den Silvesterabend in Ruhe allein verbringen.“
Brody nippte an seinem Bier und wünschte sich, er hätte das letzte Stück Pizza nicht mehr gegessen. Er lag ausgestreckt auf der Couch, zusammen mit Jack, im Zentrum des Chaos, das einst ein Wohnzimmer gewesen war. Irgendein grottenschlechter Science-Fiction-Film flimmerte über den Bildschirm, etwas mit gigantischen außerirdischen Augäpfeln.
Er liebte diese schlechten B-Movies. Er konnte einfach nichts dafür.
Noch zwei Stunden, dann würde er umschalten und sich ansehen, wie die Menschen auf dem Times Square das neue Jahr einzählten. Jack hatte unbedingt aufbleiben wollen, um mitzuzählen.
Also hatte er alles mögliche angeschleppt und angestellt, um sich wach zu halten. Deshalb sah es im Wohnzimmer auch aus, als wäre eine Bombe eingeschlagen. Aber gegen Müdigkeit hatte ein kleiner Junge eben keine Chance. Irgendwann hatte er sich in Brodys Arm gekuschelt und war fest eingeschlafen.
Brody würde ihn zehn Minuten vor Mitternacht aufwecken, bis dahin würde er in dieser Stellung auf dem Sofa durchhalten. Wenn Jack einmal größer war, würde es solche Momente nicht mehr geben.
Brody nahm noch einen Schluck Bier und sah zu, wie der riesige rollende Augapfel einen Menschen vor sich herjagte.
Und wäre fast an die Decke gesprungen, als es an der Haustür klingelte.
Leise fluchend ließ er Jack vorsichtig auf die Couch gleiten, um aufzustehen. Die Chance, dass jemand nach zehn Uhr abends bei ihm an der Tür klingelte, war etwa genauso groß wie die einer Invasion der Erde durch außerirdische Augäpfel.
Er stieg über Spielzeuge, Socken, Schuhe und ging zur Tür. Wahrscheinlich jemand mit einer Panne, der das Telefon benutzen wollte. Jeder, den er kannte, feierte heute Abend.
Scheinbar doch nicht jeder, dachte er, als er die Tür aufzog und Kate draußen stehen sah.
„Hi. Ich dachte, ich schau mal vorbei, ob du zu Hause bist. Meine Mutter schickt dir das hier.“
Ihm wurde eine kleine Schüssel mit Kichererbsen in die Hand gedrückt. „Deine Mutter?“
„Ja. Du hast ihre Gefühle verletzt, weil du morgen angeblich zu beschäftigt bist, um vorbeizukommen.“
„Ich habe nicht gesagt, dass ich zu beschäftigt sei. Ich …“ Was, zum Teufel, hatte er gesagt? Er hatte sich eine Ausrede einfallen lassen, ja, aber was war das
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