Tanz um Mitternacht
mehr bei dir meldet.« Mitfühlend umarmte Maggie ihre Freundin. »Ich weiß, es ist schwierig - aber besser für euch beide, wenn er sich von dir fern hält. Vergiss das nicht. Und Rand sollte ebenso daran denken. Darum wollen wir beten.«
7
Für den Opernabend wählte Cait ein Kleid aus Changeant-Seide, das in den gleichen rostroten Tönen schimmerte wie ihr Haar. Es war im Empire-Stil geschnitten, mit hoher Taille und tiefem Dekolletee und unter den Brüsten und am Saum mit goldenen Borten besetzt. Dazu passten goldfarbene Slippers und Handschuhe, die bis zu den Ellbogen reichten.
Sie schaute auf die Uhr, warf einen letzten Blick in den Spiegel und schob eine zusätzliche Haarnadel in die hochgesteckten Locken, bevor sie nach unten ging. Ihr Vater wartete am Fuß der Treppe in einem burgunderroten Frack, maßgeschneiderten grauen Breeches und einer grau gemusterten Weste, die sein silbriges Haar hervorhob.
Trotz seiner perfekten Eleganz stellte sie wieder einmal bedrückt fest, wie stark er in letzter Zeit gealtert war. Mit seinen sechzig Jahren wirkte er wesentlich älter. Die anstrengende Arbeit unter der tropischen Sonne hatte seine Haut mit tiefen Furchen durchzogen. Bei der Hochzeit war die Mutter zwanzig Jahre jünger gewesen. Vielleicht hatten vor allem Marian Simmons jugendliche Schönheit und Heiterkeit sein Herz erobert.
»Bist du bereit, meine Liebe?«
»Ja, Vater.« Sie neigte sich vor und küsste seine Wange, dann trat sie zurück und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Wie fabelhaft du heute Abend aussiehst!«
»Danke, mein Kind«, murmelte er und lächelte fast schüchtern.
In diesem Augenblick tauchte Geoffrey St. Anthony aus dem dunklen Hintergrund der Halle auf. Bis jetzt hatte Cait seine Anwesenheit nicht bemerkt. »Und Sie sehen hinreißend aus, Miss Harmon.«
»Oh, besten Dank, Sir.« Lächelnd knickste sie und nahm den Arm, den er ihr reichte.
In seinem luxuriösen schwarzen Landauer fuhren sie zum fashionablen King’s Theatre am Haymarket. Es war das größte Theater von London und - wie Cait feststellte - auch das vornehmste. Um den hufeisenförmigen Zuschauerraum zogen sich fünf Logenränge.
Sie stiegen zum dritten Rang hinauf und betraten die Privatloge des Marquess of Wester, die Geoffrey an diesem Abend benutzen durfte. Als sie auf den weich gepolsterten, mit königsblauem Samt bezogenen Stühlen saßen, genossen sie einen ungehinderten Ausblick zur Bühne, ins Parkett und zur Galerie, die erstaunlicherweise dreitausend Leuten Platz bot. Alle Gesellschaftsschichten hatten sich im Theater eingefunden - von den »Orangenmädchen«, die Obst
verkauften und Nachrichten weiterleiteten, über die grell gekleidete Halbwelt bis zur Aristokratie.
Fasziniert schaute Cait sich um. Allein schon der Anblick dieser bunt gemischten Versammlung bot ihr ein wundervolles Amüsement.
»Ich bin so froh, dass Sie mitgekommen sind, Miss Harmon«, unterbrach Geoffrey, der bisher mit dem Professor gesprochen hatte, ihre Gedanken. In seinem dunkelblauen Schwalbenschwanz-Frack mit grauen Breeches und weißer Weste erregte er das Interesse mehrerer Damen, die seine attraktive blond gelockte Erscheinung wohlgefällig inspizierten. »Ich hatte gehofft, wir könnten morgen...«
In diesem Moment begann das Orchester zu spielen, und Cait wandte sich erleichtert zur Bühne. Geoffrey gehörte zu den treuesten Bewunderern ihres Vaters, und sie schätzte seine Hilfe, beabsichtigte aber nicht, die Beziehung zu vertiefen. Für sie war er nur ein guter Freund.
Während der ersten Szene war sie verblüfft über die lebhaften Meinungsäußerungen des Publikums. Mit lautstarkem Jubel, der die Musik übertönte, wurde der Auftritt der Primadonna Catalani begrüßt. Schließlich beruhigten sich die Leute und würdigten die ausgezeichnete Aufführung, von der Geoffrey nicht zu viel versprochen hatte. Cait verfolgte begeistert die Ereignisse auf der Bühne - bis sie zufällig die vertrauten Umrisse eines hoch gewachsenen, breitschultrigen Mannes in einer nahen Loge entdeckte. Zunächst glaubte sie sich zu irren - der Gentleman neben der schönen Brünetten war sicher nicht Rand Clayton. Doch dann beobachtete sie seine geschmeidigen, selbstsicheren Gesten und sah die ebenmäßigen weißen Zähne blitzen, als er seine Begleiterin anlächelte. An dieses gewinnende Lächeln erinnerte sie sich nur zu gut. Verzweifelt presste sie die Lippen zusammen.
Es spielt keine Rolle, sagte sie sich. Ohne ihn bin ich besser dran...
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