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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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Versager mehr, kein langweiliger Theologe, nein, er war einer, der die Welt erobern konnte. Hatte Gott ihn deshalb so lange warten lassen, fragte er sich, damit er nun Cäcilie für sich gewann?
    Sie war gefährlich. Cäcilie war fast zehn Jahre jünger als er und ihm dennoch an Klasse weit überlegen. Er wusste, er sollte sich eine Frau suchen, die ihm gute Speisen kochte und ihn mit Wärme umarmte, eine, die gewöhnlich genug war, um ihr Leben lang bei ihm zu bleiben.
    Trotzdem ging er mit zitternden Knien zum Tiergarten, und Cäcilie und er spazierten die Wege entlang, sie hakte sich sogar bei ihm unter. Bei jedem Offizier, der sein edles Tier durch den Park ritt und mit Verachtung auf die Zivilisten zu seinen Füßen herabblickte, dachte er, Cäcilie könnte dem Mann bekannt sein. Er glaubte, sie schäme sich vor den Offizieren, weil sie mit ihm, einem einfachen Baptistenpastor, spazieren ging. Überhaupt waren in der Abendstunde viele Reiter im Tiergarten unterwegs, nicht nur Offiziere. Cäcilie, die seine Anspannung bemerkte, machte sich über die fettleibigen Herren lustig, die im Sattel hingen und von ihren Pferden durchgeschüttelt wurden, neben sich hübsche junge Damen, die weitaus besser ritten.
    Sie lachte über die Jungen, die Münzen aus dem Brunnen fischten: Die Jungs beugten sich weit über den Rand, reckten ihre Hintern in die Höhe, und angelten mit den Händen nach Geldstücken, bis zum Oberarm im Nass.
    Ein Straßenkehrer in Uniform stieß seinen Besen vor sich her, dass die Borsten nur so über das Pflaster fauchten, und pfiff dabei ein Lied.
    Irgendwann vergaß Matheus die Herren mit Spazierstöcken und die Damen in weißen Kleidern. Er verstand, dass Cäcilie an seiner Seite sein wollte. Dass sie es genoss, mit ihm spazieren zu gehen. Bald duzten sie sich, zeigten auf Eichhörnchen, pflückten am Wegesrand Gänseblümchen. Matheus ging zu einem Schmuckhändler, der aus einem Koffer Ringe verkaufte, und erwarb einen silbernen Ring für Cäcilie. Als er ihn ihr mit schüchternem Augen aufschlag überreichte, sagte sie: »Wovor hast du Angst?«, und steckte sich den Ring lachend an den Finger.
    Stimmt, dachte er, wovor habe ich Angst? Am liebsten wollte er die ganze Welt umarmen, so glücklich war er. Sie hatte seinen Ring angenommen! Er scherzte: »Für Gold hat das Geld nicht gereicht.«
    »Ich beneide dich«, sagte sie.
    »Du beneidest mich? Wieso?«
    »Dir lastet kein Reichtum auf den Schultern.« Es klang, als meine sie es ernst.
    »Ich verstehe nicht.«
    »Weißt du, ich wünsche mir die Freiheit, die ich im Urlaub spüre, wenn ich nur einen Koffer mit drei Kleidern habe und durchatmen kann. Hier in Berlin ist mein Leben wie ein Zimmer, das mit Möbeln vollgestellt ist, es gibt keinen freien Flecken Wand mehr, überall hängen Bilder, überall stehen Schränke und Lampen. Du hast es besser. Du besitzt nicht so viel. Ich weiß aus dem Urlaub, wie gut es tut, ohne Grammophon zu sein, ohne gesellschaftliche Empfänge, ohne Französischunterricht, ohne die gekünstelte Unterhaltung beim Essen.«
    »Hätte nie gedacht, dass dir Konversation schwerfällt.«
    »Weil sie nicht frei ist! Kaum stelle ich zu Hause eine echte Frage, heißt es: ›Nicht vor dem Personal!‹ Diese manierierte Welt bin ich leid. Am Meer ist es anders, da lässt man sich wirklich auf das Leben ein und auf den schönen Ort, nicht bloß, weil es das Meer ist, sondern weil man weniger um sich hat, weniger Besitz.«
    »Immerhin kannst du Urlaub machen. Das ist ohne Geld schwierig.«
    »Aber das allein ist es nicht. Ich möchte Reformkleider tragen, ich will Sport treiben ohne einen zusammengepressten Brustkorb! Ich will Fahrrad fahren, ganz egal, ob man mich schief ansieht, weil ich eine Frau bin!«
    Cäcilie war bereit, ein armer Mensch zu werden. Sie und er ver standen sich so gut, als würden sie sich ewig kennen. Die Stunden mit ihr waren paradiesisch für ihn. Und er bot ihr etwas, von dem er nicht einmal gewusst hatte, dass er es besaß: Freiheit. »Würdest du den Luxus nach ein paar Wochen nicht vermissen?«, fragte er.
    Cäcilie schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Man muss nicht alles sofort haben. Es ist auch gut, einmal auf eine Anschaffung zu sparen. So hat man mehr Freude daran! Erst die Vorfreude und dann den Stolz, dass man es erreicht hat. Die Dinge haben größeren Wert für einen.«
    Sie gingen weiter aus, ruderten auf dem Wannsee, machten ein Picknick in der Jungfernheide. So wie Cäcilie sich auf seine

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