Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Taran Bd 5 - Der Fürst Des Todes

Taran Bd 5 - Der Fürst Des Todes

Titel: Taran Bd 5 - Der Fürst Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lloyd Alexander
Vom Netzwerk:
verwirrt zu sein. Und als die Gwythaints genau über ihm waren, nahm er seine ganzen Kräfte zusammen und schoss davon – aus der Reichweite der messerscharfen Krallen.
    Doch war die Krähe nicht völlig ungeschoren davongekommen. Einer der Gwythaints hatte sie am Flügel getroffen. Doch trotz der Schmerzen, die sie fast betäubten, kam sie von den Angreifern frei. Der weite Himmel konnte keine Rettung für Kaw sein. Jetzt konnte er sich nicht länger auf seine Gewandtheit und seine Schnelligkeit verlassen. Er stürzte zur Erde nieder.
    Die Gwythaints gaben sich noch nicht geschlagen. Der Geruch des Blutes hatte sie wahnsinnig gemacht, und sie würden ihre Beute nicht entkommen lassen. Sie schossen der Krähe nach, um sie zu überholen und daran zu hindern, den Wald zu erreichen. Die höchsten Baumkronen reckten sich Kaw entgegen. Er aber ließ sich tiefer fallen. Das Gewirr der Zweige hemmte den raschen Flug seiner Verfolger. Kaw jedoch flog mit unverminderter Geschwindigkeit über den Boden und drang tiefer und tiefer in das undurchdringliche Unterholz ein. Die riesigen Schwingen, die den Gwythaints so gut in der Höhe gedient hatten, hinderten sie nun daran, ihren Preis zu erjagen. Sie schrieen vor Wut, machten aber keinen Versuch, tiefer in den Wald einzudringen. Die Krähe hatte sich wie ein Fuchs verkrochen.
    Der Tag begann zu verlöschen, und Kaw richtete sich für die Nacht ein. In der Morgendämmerung flatterte er vorsichtig auf einen Baumwipfel. Die Gwythaints waren nicht zu sehen, doch ein Instinkt sagte ihm, dass er weit nach Osten abgetrieben war. Er schwang sich in die Luft und stieg flatternd in die Höhe. Im Süden lag Caer Cadarn, unerreichbar für ihn, denn seine Kräfte nahmen rasch ab. Er musste sich entscheiden, solange noch Leben in ihm war. Kaw beschrieb einen Bogen, dann flog er schwerfällig auf sein neues Ziel zu – und auf seine einzige Hoffnung.
    Das Fliegen bedeutete nun eine Qual für ihn. Oft versagten seine Schwingen, und allein die Strömung der Winde hielt ihn in der Luft. Er konnte nicht länger einen ganzen Tag fliegen. Bevor die Sonne unterging, zwang ihn seine Wunde, sich auf einem Baum niederzulassen und sich dort zu verbergen. Auch konnte er nicht sehr hoch fliegen, damit er der Sonnenwärme näher wäre, sondern er flog dicht über dem Wald und berührte beinahe die Wipfel der Bäume. Unter ihm belebte sich die Landschaft zusehends mit Kriegern zu Pferde und zu Fuß. Während der Pausen, in denen er neue Kräfte sammelte, erfuhr er deren Ziel: wie das der Häscher war es die Burg der Söhne aus dem Hause Don. Der Schrecken war stärker als der Schmerz, und Kaw flog weiter.
    Schließlich machte er in der lähmenden Kälte der Berge nordöstlich des Ystrad-Flusses aus, wonach er gesucht hatte: Das Tal war von steilen Felswänden umgeben und bildete ein grünes Nest zwischen den schneebedeckten Gipfeln. Eine kleine Hütte wurde sichtbar, und der blaue Spiegel eines Sees glänzte im Sonnenlicht. Am Fuß des Hanges lag ein langes Boot, seine Rippen und die Takelage waren mit Moos überzogen.
    Kaw schlug schwach mit den Flügeln und fiel wie ein Stein hinunter.
    Undeutlich nahm er noch wahr, bevor ihm die Augen zufielen, dass sich ein Maul um ihn schloss und er vom Boden emporgehoben wurde. Dann hörte er erst wieder eine tiefe Stimme, die fragte: »Nun, Brynach, was hast du denn da gebracht?«
    Was weiter geschah, wusste Kaw nicht.
    Als er wieder die Augen öffnete, lag er auf einem weichen Binsennest in einem sonnendurchfluteten Raum. Er war schwach, doch hatte er keine Schmerzen mehr. Seine Wunde war versorgt. Als er matt mit den Flügeln schlug, packte ihn eine starke Hand und beruhigte ihn.
    »Langsam, langsam«, sagte die Stimme, »ich fürchte, du wirst eine Weile auf der Erde bleiben müssen.«
    Das weißbärtige Gesicht des Mannes war knorrig und wettergezeichnet wie eine uralte Eiche. Weißes Haar hing ihm über die breiten, sehnigen Schultern, und ein blauer Edelstein blitzte in dem Goldreif, den er um die Stirn trug. Kaw, der sonst ständig plapperte und schnatterte und zu jedem Schabernack aufgelegt war, neigte demütig den Kopf. Er war nie vorher in dieses Tal geflogen, doch wusste sein Herz, dass es ihm als Zuflucht dienen würde. Ein Instinkt, eine halb verlorene Erinnerung, die alle Tiere Prydains besaßen, hatte ihn sicher geführt. Und die Krähe begriff, dass sie in das Reich von Medwyn gekommen war. »Lass mich überlegen, lass mich überlegen«, sagte Medwyn.

Weitere Kostenlose Bücher