Tareks Versprechen
sogar noch weiter und erfand eine weitere kleine Lüge, die ihre Halbschwester davon überzeugen sollte, wie gut Scheich Hassan es mit ihnen beiden gemeint hatte.
„Dieser Mann, dieser Sohn eines Scheichs, muss einen sehr guten Ruf haben. Stark, tapfer und ehrenwert, sonst hätte unser Stammesfürst nicht versucht, uns beiden eine so gute Verbindung zu ermöglichen.“
Die Lüge schien anzukommen, zumindest teilweise. Ein zögerliches Lächeln huschte über Taisias Gesicht. „Ich bin trotzdem froh, dass ich es nicht bin, die er ausgesucht hat“, gab sie zu. „Er wirkt so dunkel, so einschüchternd.“
Zaara hätte ihr gerne zugestimmt, aber das hätte Taisia nur erneut in Schrecken versetzt. Darum versuchte sie sich lieber an einem Scherz. „Ich muss sagen, es hätte mich doch etwas betrübt, wenn ich als Ältere von uns beiden, erst nach dir vermählt worden wäre.“
Zaara hoffte, Allah würde ihr ihre dreiste Lüge verzeihen. Aber sollte sie sagen, dass sie sich zu Tode fürchtete? Was hätte das gebracht? Nichts! Niemand würde kommen, um sie aus dieser Lage zu befreien. Und was machte es schon, ob man unter der einen oder anderen Knute leben musste, das Ergebnis blieb das Gleiche.
Aber auch wenn Zaara das wusste, konnte ihr keiner übel nehmen, dass sie den kommenden Ereignissen mit Furcht entgegentrat. Denn bis sie wusste, wie sie sich verhalten musste, würde sie ihre Verfehlungen sicher handfest zu spüren bekommen.
Tarek war erleichtert, dass dieses dünne Mädchen, das Scheich Hassan als erwachsene Frau bezeichnet hatte, ihre Furcht überwunden hatte. Er hörte das, was sie zu dem anderen Mädchen sagte und war froh, dass sie die Sache so vernünftig sah. Sich mit einer völlig verängstigten Frau auseinanderzusetzten, hätte nach den Geschehnissen dieses Nachmittags seine Geduld überstrapaziert. Aber zum Glück sah seine Braut die Sache pragmatisch und ihm würde es möglich sein, ihr klarzumachen, dass er nicht vorhatte, unter Scheich Hassans Augen die Ehe zu vollziehen.
Dass er das auch später nicht tun wollte, würde er ihr erst eröffnen, wenn sie zurück in seinem Zuhause waren, wo keine dünnen Zeltwände Ohren hatten. Dennoch war er sich bewusst, dass es für die Menschen hier so aussehen musste, als hätte er getan, was ein frisch gebackener Bräutigam zu tun hatte. Zum Glück blieb ihm die ganze Nacht, um sich darüber Gedanken zu machen.
Tarek nickte seinem jüngeren Bruder Diss, der mit ihm gekommen war, zu. Beide betraten das Zelt in dem die Mädchen warteten und das man Tarek zum Vollzug der Ehe für diese Nacht zur Verfügung gestellt hatte. Zu seiner Erleichterung befand es sich ein wenig abseits und nicht in unmittelbarer Nähe von Hassans Zelten. Trotzdem musste er mit dem, was er sagte und wie laut er es sagte vorsichtig sein. Denn nicht nur die Zeltwände hatten Ohren, sondern auch die Stille der Nacht trug jedes Wort weit.
Das Aufblitzen von Furcht in den Augen der Mädchen, als er zusammen mit Diss das Zelt betrat, entlockte Tarek einen Seufzer. Ganz offensichtlich hatte er zu viel in die Worte seiner Braut hinein interpretiert. Wie es aussah, stand ihm eine schwere Nacht bevor.
„Diss, bring die Schwester meiner Braut zu ihren Leuten. Sie wird hier nicht mehr benötigt“, erklärte Tarek ruhig. Er wusste, dass Diss für die wenigen Minuten dankbar sein würde, die es ihm ermöglichten, dem auf den Grund zu gehen, was er in seinem Herzen schon wusste. Dass das Mädchen Taisia diejenige war, die er lieben würde.
Aber mit den Problemen seines Bruders wollte sich Tarek jetzt nicht beschäftigen. Er hatte schon mit seiner aufgezwungenen Braut genügend zu tun. Darum nahm er den dankbaren Schlag auf seine Schulter, den Diss ihm zum Abschied gab, nur am Rande zur Kenntnis.
Jeder der Brüder war jetzt auf sich alleine gestellt und musste versuchen, mit dem Mädchen klarzukommen, das sich gerade in dessen Obhut befand. Das hier irgendetwas nicht stimmte, fiel keinem der Männer auf, so sehr waren sie auf ihre Aufgabe konzentriert. Die Frage, warum man die unverheiratete Taisia in der Gesellschaft eines fremden Mannes ließ, stellten sie sich nicht. Denn das Taisia mit Diss alleine sein würde, sobald sie ihre Halbschwester verließ, konnte ihr Vater kaum vergessen haben.
* * *
Tarek sah das Mädchen, oder besser gesagt, seine ihm anvertraute Ehefrau stirnrunzelnd an. Sie war bis an die äußerste Zeltwand zurückgewichen, kaum dass er mit ihr alleine war. Die tapferen
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